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GRK 1718:  Präsenz und implizites Wissen

Fachliche Zuordnung Literaturwissenschaft
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 178036356
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Graduiertenkolleg „Präsenz und implizites Wissen“ hat die kulturwissenschaftliche Diskussion von Präsenz mit sozialwissenschaftlichen Theorien des impliziten Wissens verknüpft. In kulturvergleichender Perspektive wurden inter- und binnenkulturell divergente Formen der Explikation von Präsenz als Präsentifikation oder Diskursivierung untersucht, z.B. herausgehobene Erfahrungen emotionaler Intensität (Liebe, Spiritualität, Ergriffenheit) oder auch politischer Teilhabe (Protest, Solidarität, Zivilreligion). Kulturhermeneutische Analysen haben sich mit Explikation und Explikationsversuchen von individuellen und kollektiven Präsenzphänomenen in zentralen gesellschaftlichen Ordnungsbereichen wie Religion, Literatur, Politik, Medien oder Populärkultur befasst. Gerade durch die methodologische und theoretische Fokussierung auf implizite Wissensbestände wurde die Präsenzdebatte auf eine neue Grundlage gestellt und systematisch ausdifferenziert. Maßgeblich für die Forschungsarbeit des Kollegs war die zentrale Hypothese, dass zwischen Präsenz(erfahrungen) und Formen des impliziten Wissens eine Interdependenz besteht. Unsere Arbeiten belegen ein ko-konstitutives Verhältnis von Präsenz und implizitem Wissen: Zum einen kann das, was in Gesellschaft und Kultur mit Attributen der Präsenz beschrieben wird, nur in Rekurs auf implizites Wissen verständlich gemacht werden; zum anderen lässt sich implizites Wissen nur über konkrete Praktiken explizieren und ist somit stets durch Attribute der Präsenz gekennzeichnet. Den Gegenstandsbereich des Forschungsprogramms bildeten daher soziale Praktiken und kulturelle Formen, in denen die Diskursivierung von Präsenz auf einen nicht oder nur teilweise verbalisierbaren Wissensüberschuss des als präsent exponierten Sachverhaltes verweist. Ausgangspunkt unserer Forschungsarbeit waren neuere und vielfach rezipierte Ausführungen zum Präsenzbegriff, die sich im Laufe der Arbeit zur Kontrastfolie für unsere eigenen Überlegungen entwickelten: Erstens ist der von Hans-Ulrich Gumbrecht und anderen gewählte Fokus spezifisch westlich bzw. eurozentrisch. Deshalb haben wir (inter-)kulturelle Differenzen und mehrdimensionale Perspektiven auf Präsenzphänomene zum Gegenstand unserer Forschung gemacht. Zweitens berücksichtigte der Forschungsstand kaum binnenkulturelle Differenzen (Lebensstil, Schicht, Geschlecht). Entsprechend stellte Intrakulturalität (in synchroner wie in diachroner Perspektive) einen wesentlichen Aspekt unserer Arbeit dar. Drittens beschränkte sich die Präsenzdiskussion vielfach auf ästhetische Erfahrungen. Ohne diesen Bereich zu vernachlässigen, haben wir Präsenzphänomene auch in anderen gesellschaftlichen Wahrnehmungs- und Ordnungsbereichen lokalisiert und untersucht. Unsere Forschungshypothese des wechselseitigen Begründungszusammenhangs von Präsenz und implizitem Wissen hat es ermöglicht, diese drei Desiderate theoretischgeneralisierend sowie spezifisch anhand von Fallbeispielen (z.B. Sakralisierung Putins, mediale Verschwörungstheorien, ‚westliche‘ Achtsamkeitsdiskurse) zu bearbeiten. Werden Präsenzphänomene als reiche deiktische Verweise auf implizite Wissensbestände begriffen (Handlungswissen, emotionales Wissen, körperliches Wissen), müssen sie nicht länger als ontologische oder repräsentationstheoretische Paradoxien oder einzigartige Epiphanien umkreist werden. Mit der Akzentuierung der jeweiligen Übersetzungs- und Übertragungsleistung haben wir ein Instrumentarium entwickelt, das auf die Analyse von Phänomenen an der Schnittstelle von Präsenz und implizitem Wissen auf der Grundlage kulturhermeneutischer Prämissen in unterschiedlichen sozialen und kulturellen Feldern angewendet werden kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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