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Der Weg in den Vietnamkrieg: Ein Beitrag zur Neubewertung der jüngsten vietnamesischen Geschichte.

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2005 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 17506091
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsvorhaben „Der Weg in den Vietnamkrieg" nimmt auf der Grundlage bislang unerschlossener Archivbestände aus der früheren DDR, vietnamesisch-sprachiger Quellen sowie Interviews mit deutschen und vietnamesischen Zeitzeugen eine Neubewertung der Entstehung des Vietnamkriegs und der Geschichte Nordvietnams in den 1950er und 1960er Jahren vor. Im Mittelpunkt der Studie stehen Formen von Dissens und Widerstand hochrangiger Parteimitglieder und Intellektueller Anfang der 1960er Jahre, die sich gegen die von der Parteiführung um Parteichef Le Duan propagierte Forcierung des Aufbaus des Sozialismus und des bewaffneten Kampfes in Südvietnam wandten. Ihre abweichende Haltung wurde maßgeblich durch die relativ liberale Politik in der Sowjetunion unter Chruscev inspiriert, mit denen viele Vietnamesen zeitversetzt erst Ende der 1950er Jahre in Berührung kamen. Die Studie macht damit zum ersten Mal deutlich, dass die Demokratische Republik Vietnam nach dem Aufbegehren einiger Intellektueller im Jahre 1956 (die sogenannte „Nhan Van-Giai Pham-Bewegung"), die bereits durch die Umwälzungen in der Sowjetunion beeinflusst worden war, einige Jahre später ein zweites Mal, und zwar in stärkerem Maße, von den neuen politischen Ideen der UdSSR unter Chruscev erfasst wurde. Die Debatte, die Anfang der 1960er Jahre in Nordvietnam ausbrach, wurde mit den Waffen des sino-sowjetischen Konfliktes ausgetragen. Die Verwendung von Begriffen des Kalten Krieges -. die Kontrahenten in Vietnam bezeichneten sich gegenseitig selbst als „prosowjetisch" und „revisionistisch" bzw. „pro-chinesisch" und „maoistisch - verschleiert jedoch, dass es bei dem bislang wenig beachteten innerparteilichen Streit in Hanoi um mehr ging als nur um die Verortung der Kommunistischen Partei Vietnams im Konflikt zwischen Moskau und Peking: zentraler Streitpunkt der Debatte war der richtige Weg zur Wiedervereinigung. Die Untersuchung zeigt unter Heranziehung von Berichten der DDR-Botschaft und des ADN-Korrespondenten in Hanoi, wie es Parteichef Le Duan und Le Duc Tho, dem mächtigen Leiter der Organtsationsabteilung der Partei, immer mehr gelang, ihre Kritiker inner- und außerhalb der Partei in die Defensive zu drängen und sich Ende 1963 auf dem 9. Plenum der Partei mit ihrer „militanten" Linie in der Wiedervereinigungsfrage durchzusetzen. Diese Verschärfung des Kurses in Nordvietnam stand auch in engem Zusammenhang mit der verstärkten Intervention der USA in Südvietnam. Anfang 1964 leitete die Parteiführung eine Kampagne gegen die Einflüsse des „modernen Revisionismus" ein. Ziel war es, die gesamte nordvietnamesische Gesellschaft propagandistisch auf den bevorstehenden Waffengang im Süden vorzubereiten und jegliche Ideen von „friedlicher Koexistenz" und „allgemeiner Humanität", die in den Augen der Parteiideologen die Kampfmoral hätten untergraben können, auszumerzen. Die Untersuchung stellt dar, wie sich das innenpolitische Klima in Nordvietnam nach Kriegsbeginn und der damit einhergehenden Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion wieder zu entspannen schien, doch die Partei schließlich 1967 vor dem Hintergrund der Eskalation des Krieges eine umfassende „Säuberungsaktion" einleitete und Hunderte von Parteikadern und- Intellektuellen verhaften bzw. unter Hausarrest stellen ließ. Die ideologische Verhärtung, die in der sogenannten „Anti-Partei-Affäre" von 1967 zum Ausdruck kam, wirkte noch bis zum Beginn der Reformpolitik 1986 nach und erklärt zusammen mit anderen Faktoren, die orthodoxe Politik der Hanoier Führung in Südvietnam nach dem Kriegsende 1975.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2006), "Dissens in Nordvietnam: Die "Anti-Partei-Affäre' und der Krieg (1963-1967)", in: Internationales Asienform, Vol. 37 (2006), Nos. 1-2, S. 119-142
    Martin Großheim
  • (2006). „Neue Forschung zum Vietnamkrieg: Die „Anti-Revisionismus-Affäre" in Nordvietnam, in: Pacific News, 26, Juli/August 2006, S. 14f.
    Martin Großheim
  • (2007). "Dissens in Nordvietnam. Die 'Nhan-Van/Giai-Pham-Affäre' (1956 bis 1958) und die 'Antipartei-Revisionismus-Affäre' (1963 bis 1967)", in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2007, S. 31-57
    Martin Großheim
  • (2008). "Vergangenheitsbewältigung auf Vietnamesisch", in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 27/2008, S. 19-25
    Martin Großheim
 
 

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