Multimodales Neuroimaging x Optogenetics: ein neuer Ansatz zur Untersuchung von Belohnungsprozessen unter pathologischen Bedingungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Kokainabhängigkeit ist eine Erkrankung des Gehirns. Beim Übergang von gelegentlichem Konsum zu süchtigem Verhalten treten strukturelle und funktionelle Veränderungen auf, die zum Fortschreiten der Erkrankung beitragen. Aufgabe dieses Projektes war es, ein DSM-IV/5-basiertes Rattenmodell der Kokainabhängigkeit zu etablieren und Querschnitts- und Langzeit-multimodale-Neuroimaging-Studien durchzuführen, um neurochemische Veränderungen, strukturelle Veränderungen in weißer und grauer Substanz und Änderungen in der funktionellen Konnektivität im Verlauf des Suchtzyklus zu zeigen. Erwartete Ergebnisse waren (i) Aufdeckung Neuroimaging-basierter Biomarker für Kokainsucht, (ii) Auffinden neuropathologischer Mechanismen des Suchtverhaltens und (iii) Etablierung neuer, auf diese Mechanismen zielende Interventionen. Das DSM-IV/5-basierte Tiermodell der Kokainsucht wurde erfolgreich entwickelt. Genau wie beim Menschen werden nur 15% der Ratten dabei süchtig. Mit Hilfe von FDG-PET konnten von uns metabolische Biomarker für kontrollierten Drogenkonsum und Kontrollverlust identifiziert werden. Insbesondere zeigen wir, dass ein erhöhter Glukosestoffwechsel im Caudate Putamen und dem medialen präfrontalen Kortex für kontrollierten Drogenkonsum steht, während der Verlust der striatalen und präfrontalen Stoffwechselaktivität und die Reduktion des Stoffwechsels in kortikalen Bereichen auf süchtiges Verhalten hindeuten. Metabolische Biomarker wären eine gute Hilfe für die Entwicklung klinischer Behandlungsmethoden. So sollte eine Intervention, ob pharmakologisch, verhaltens- oder neuromodulatorisch, in der Lage sein, die metabolische präfrontale Aktivität wiederherzustellen, was dann auf die Wiedererlangung der Kontrolle des Kokainkonsums hindeuten würde. Zukünftige klinische Studien sollten untersuchen, ob ähnliche metabolische Veränderungen in Freizeitkonsumenten und Kokainsüchtigen beobachtet werden können. Andere prognostische Befunde beziehen sich auf Messungen des Volumens der grauen Substanz. Unsere Voxel-basierte Morphometrie zeigt, dass die Verhaltensunterschiede, die süchtige gegenüber nicht-süchtigen Tieren charakterisieren, durch divergente regionale Co-Varianz der grauen Substanz reflektiert werden. So bietet die Morphometrie spezifische neuroanatomische Korrelate von Verhaltensdimensionen der Sucht. Diese präklinischen Befunde sind Informationsquellen für zukünftige Neuroimaging-Studien bei süchtigen Patienten, welche auf strukturelle Marker zielen, die prädiktive Verhaltensdiagnosekriterien von DSM-5 widerspiegeln. Um mechanistische Einsichten zu erhalten, haben wir ein multiskalen neurochemisches Konnektom des Rattenhirns konstruiert, welches in Verbindung mit unseren effektiven Konnektivitäts-Karten spezifische neurochemische Fingerabdrücke eines süchtigen vs. nicht-süchtigen Gehirns abrufen kann. Die neurochemischen Fingerabdrücke bei Versuchsratten sind von hohem translationalen Wert, wie durch unsere Lanzeitspektroskopie-Untersuchungen an Glutamat- Konzentrationen gezeigt werden konnte – so zeigen Ratten in verschiedenen Stadien des Suchtzyklus ähnliche Veränderungen im regionalen Glutamatgehalt wie süchtige Menschen. In der Konsequenz konnten wir zeigen, dass ein verstärkter Glutamatspiegel durch Aktivierung von metabotropen Glutamat-2-Rezeptoren (mGluR2) das suchtbezogene Verhalten deutlich reduziert. Daher scheint die Anwendung von mGluR2-Agonisten eine neue pharmakologische Interventionsstrategie für Verlangen und Rückfall zu sein.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2012) Neurocircuitry for modeling drug effects. Addict Biol 17:827-864
Noori HR, Spanagel R, Hansson AC
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/j.1369-1600.2012.00485.x) - (2013) The mGluR2/3 agonist LY379268 induced anti-reinstatement effects in rats exhibiting addiction-like behavior. Neuropsychopharmacology 38:2048-2056
Cannella N, Halbout B, Uhrig S, Evrard L, Corsi M, Corti C, Deroche-Gamonet V, Hansson AC, Spanagel R
(Siehe online unter https://doi.org/10.1038/npp.2013.106) - (2014) CREB activity in dopamine D1 receptor expressing neurons regulates cocaine-induced behavioral effects. Front Behav Neurosci 8:212
Bilbao A, Rieker C, Cannella N, Parlato R, Golda S, Piechota M, Korostynski M, Engblom D, Przewlocki R, Schütz G, Spanagel R, Parkitna JR
(Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fnbeh.2014.00212) - (2014) Incubation of cocaine seeking following brief cocaine experience is enhanced by mGluR1 blockade. J Neurosci 34:1781-1790
Halbout B, Bernardi RE, Hansson AC, Spanagel R
(Siehe online unter https://doi.org/10.1523/jneurosci.1076-13.2014) - (2016) Impairment of cocaine-mediated behaviours by clinically relevant Ras-ERK inhibitors. Elife
Papale A, Morella IM, Indrigo MT, Eugene Bernardi R, Marrone L, Marchisella F, Brancale A, Spanagel R, Brambilla R, Fasano S
(Siehe online unter https://doi.org/10.7554/elife.17111) - (2017) A multi-scale cerebral neurochemical connectome of the rat brain. Plos Biol
Noori HR, Schöttler J, Ercsey-Ravasz M, Cosa-Linan A, Varga M, Toroczkai Z, Spanagel R
(Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pbio.2002612) - (2017) Melatonin reduces motivation for cocaine selfadministration and prevents relapse-like behavior in rats. Psychopharmacology
Takahashi TT, Vengeliene V, Spanagel R
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00213-017-4576-y) - (2017) Persistent strengthening of the prefrontal cortex - nucleus accumbens pathway during incubation of cocaine-seeking behavior. Neurobiol Learn Mem 138:281-290
Luís C, Cannella N, Spanagel R, Köhr G
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.nlm.2016.10.003) - (2017). In vivo structural imaging in rats reveals neuroanatomical correlates of behavioral sub-dimensions of cocaine addiction. Addict Biol
Cannella N, Cosa-Linan A, Buchler E, Falfan-Melgoza C, Weber-Fahr W, & Spanagel R
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/adb.12500)