Differentiated Integration in Europe
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Zielsetzung des vorliegenden Forschungsprojekts bestand darin, das Ausmaß der differenzierten Integration in der EU auf drei analytischen Ebenen zu erfassen, zu beschreiben und zu erklären: (1) auf der Ebene des EU-Systems, (2) auf der Ebene der EU-Mitgliedsstaaten und (3) auf der Ebene der EU-Politikbereiche. Dabei dienten die nachfolgenden Fragestellungen als Ausgangspunkt: 1) Gibt es Unterschiede im Ausmaß der differenzierten Integration im zeitlichen Verlauf und, wenn ja, was sind die Ursachen hierfür? 2) Gibt es Unterschiede im Ausmaß der differenzierten Integration zwischen den EU-Mitgliedsstaaten (und im zeitlichen Verlauf) und, wenn ja, was sind die Ursachen hierfür? 3) Gibt es Unterschiede im Ausmaß der differenzierten Integration zwischen den EU- Politikbereichen (und im zeitlichen Verlauf) und, wenn ja, was sind die Ursachen hierfür? Um diese Fragen zu beantworten, wurde im Rahmen des Forschungsprojekts zunächst eine Konzeptualisierung des DI-Begriffs vorgenommen, die zwischen tatsächlicher und potenzieller, permanenter und temporärer sowie spezifischer und allgemeiner Differenzierung unterscheidet. In einem zweiten Schritt wurden unterschiedliche Hypothesen aus den europäischen Integrationstheorien abgeleitet, mit deren Hilfe das Ausmaß der differenzierten Integration auf EU-Systemebene, mitgliedsstaatlicher Ebene und Politikfeldebene erklärt werden kann. Drittens wurden zwei Datensätze des EU-Primär- und -Sekundärrechts und der darin jeweils enthaltenen Ausnahmeregelungen konstruiert. Anhand der beiden EUDIFF-Datensätze ist es zum ersten Mal möglich, das Ausmaß der differenzierten Integration in den EU-Verträgen und in EU- Verordnungen, -Richtlinien und -Entscheidungen – über die in der einschlägigen Forschungsliteratur bislang weit verbreiteten (Einzel-) Fallstudien hinaus – auch mit Hilfe makroquantitativer Methoden auf systematische und umfassende Art zu beschreiben und zu erklären. Die EUDIFF-Datensätze enthalten – zusätzlich zu den Differenzierungsindikatoren – auch noch zahlreiche institutionelle und politikfeldspezifische Variablen, die einen Erklärungsbeitrag hinsichtlich des Ausmaßes der differenzierten Integration leisten können. Über die abhängigen Variablen und die institutionellen und politikfeldspezifischen Erklärungsvariablen hinaus wurden im Rahmen des Forschungsprojekts zahlreiche intergouvernementalistische, institutionalistische und konstruktivistische Erklärungsvariablen erhoben, die als Einzeldatensätze an die EUDIFF-Datensätze angekoppelt werden können. Die ersten Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Ausmaß der differenzierten Integration im Primär- und Sekundärrecht nicht durch eine einzelne Integrationstheorie allein erklärt werden kann, sondern dass es einer Synthese der Theorien bedarf, um differenzierte Integration umfassend erklären zu können. Die Integrationstheorien und ihre jeweiligen Erklärungsfaktoren scheinen somit nicht in einem konkurrierenden, sondern in einem komplementären Verhältnis zueinander zu stehen. Dabei lässt sich primärrechtliche Differenzierung – je nach Differenzierungslogik – durch intergouvernementalistische, konstruktivistische und postfunktionalistische Faktoren erklären. Sekundärrechtliche Differenzierung lässt sich hingegen hauptsächlich durch den Intergouvernementalismus im Allgemeinen und die internationale (Handels-) Interdependenz im Besonderen erklären. Bei der mitgliedsstaatlichen Differenzierung nehmen Dänemark, Großbritannien und Irland sowohl im Primär- als auch im Sekundärrecht die Spitzenpositionen ein. Die Datensätze erlauben neben der Beantwortung der oben formulierten Fragen weitere spezifische Analysen, die derzeit von den Projektpartnern bearbeitet werden. Die Datensätze werden mit Veröffentlichung dieser Arbeiten der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung stehen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2012): “Differentiated Integration in the European Union: Many Concepts, Sparse Theory, Few Data”, in: Journal of European Public Policy 19(2): 292-305
Holzinger, Katharina und Frank Schimmelfennig
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(2013): Differentiated Integration: Explaining Variation in the European Union. Basingstoke: Palgrave Macmillan
Leuffen, Dirk, Berthold Rittberger und Frank Schimmelfennig
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(2013): „Direkte und indirekte Europäisierung der schweizerischen Bundesgesetzgebung“, in: LeGes. Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Gesetzgebung (SGG) und der Schweizerischen Evaluationsgesellschaft (SEVAL) 24(2): 489-504
Jenni, Sabine
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(2014): “Differentiated Integration Before and After the Crisis”, in: Olaf Cramme, Sara B. Hobolt (eds.), Democratic Politics in a European Union Under Stress. Oxford: Oxford University Press, 120-134
Schimmelfennig, Frank
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(2014): “Differentiated Integration of Core State Powers”, in: Philipp Genschel, Markus Jachtenfuchs (eds.), Beyond the Regulatory Polity? The European Integration of Core State Powers. Oxford: Oxford University Press, 189-210
Rittberger, Berthold, Dirk Leuffen und Frank Schimmelfennig
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(2014): “EU Enlargement and Differentiated Integration: Discrimination or Equal Treatment?”, in: Journal of European Public Policy 21(5): 681-698
Schimmelfennig, Frank
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(2014): “Europeanization of Swiss Law-Making: Empirics and Rhetoric are Drifting Apart”, in: Swiss Political Science Review 20(2): 208-215
Jenni, Sabine
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(2014): “Instrumental and Constitutional Differentiation in the European Union”, in: Journal of Common Market Studies 52(2): 354-370
Schimmelfennig, Frank und Thomas Winzen
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(2014): “Switzerland’s Differentiated European Integration – What can we Learn from the Study of Europeanization?”, in: Swiss Political Science Review 20(2): 255-258
Schimmelfennig, Frank
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(2014): “Vertragsentwicklung und Differenzierung in der europäischen Integration: Nationale Identität, staatliche Autonomie und die Entstehung einer Kern-Peripherie-Struktur in der europäischen Integration“, in: Integration 37(2): 138-151
Winzen, Thomas und Frank Schimmelfennig