Die Politik des Wiederaufbaus nach dem Erdbeben in Pakistan und Kaschmir (Oktober 2005)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Wiederaufbau nach dem Erdbeben in AJK ist entscheidend durch das ambivalente Verhältnis zwischen AJK und Pakistan geprägt. Aufgrund seiner Kontrolle der Politik in AJK dominiert Pakistan auch den Wiederaufbau, was jedoch in AJK durchaus Widerstand innerhalb und außerhalb der Verwaltung hervorruft. Die politische Ambivalenz manifestiert sich in einer aufwendigen Bürokratie mit teils parallelen und konkurrierenden Strukturen, die sich verzögernd auf die Implementierung von Projekten auswirkt. Die Verzögerung der Projekte und der Wiederaufbau der Wohnhäuser sind äußerst brisant, da sie die Vulnerabilität der Bevölkerung im Hinblick auf zukünftige Erdbeben verstärken. Die Verzögerung der Wiederaufbauprojekte bedingt für viele Familien die Ungewissheit, wo und wie sie in Zukunft leben werden. Je länger diese Ungewissheit anhält, desto mehr sind Familien gezwungen, sich trotz möglicher Gefahr bei einem erneuten Beben und Erdrutschen, im gegenwärtigen Zustand dauerhaft einzurichten. Besonders betroffen sind vor allem mittellose Haushalte, die oftmals unter extrem schwierigen Verhältnissen wohnen. Lokale Akteure der unteren gesellschaftlichen Schichten sind aus dem Wiederaufbauprozess „von oben“ weitgehend ausgeschlossen. Partizipation oder offene Formen des Widerstands gegen konkrete Projekte bleiben meist auf die Mittelschicht begrenzt. Ärmere Haushalte praktizieren eher informelle Formen des Widerstandes wie „Klatsch und Tratsch“, Gerüchte, Verweigerungen und Fehlinformationen der Behörden. Die Forschung im Bazar hat zudem ergeben, dass durch Korruption und das Eingreifen von Regierungsvertretern Proteste und Diskussionen über den Wiederaufbau unterdrückt werden, was zu einer weiteren Verlangsamung führt. Anders als in der Stadt wurden die Wohnhäuser und Geschäfte in den ländlichen Gebieten wesentlich schneller wiederaufgebaut. Die Bürokratie ist dort viel geringer und die Projekte des Wiederaufbaus wurden in erster Linie von NGOs wie dem Aga Khan Development Network (AKDN) durchgeführt. Außerdem bekamen hier Familien für den Bau ihrer Häuser weit mehr Unterstützung, auch in Form von Baumaterial und Mikrokrediten, als in Muzaffarabad. Allerdings ist die Arbeit der NGOs auch mit ambivalenten Konsequenzen für die Dorfgemeinschaft verbunden. Durch die teils massiven Einfuhren von Hilfsgütern kam es zu Anschuldigungen der persönlichen Bereicherung auf Kosten anderer, was zu vermehrten Konflikten innerhalb der Dorfgemeinschaften führte. Auch die Einführung neuer Institutionen der dörflichen Selbstverwaltung, wie die durch AKDN forcierten „Village Organisations“, führte zu Konflikten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
Representations and Practices of “Home” in the Context of the 2005 Earthquake and Reconstruction Process in Pakistan and AJK. In: Ute Luig, ed. Negotiating disasters ; politics, representation, meanings. Frankfurt, Peter Lang. S. 205 ff.
Schild, Pascale