Archäologie, Epigraphie und Geoinformatik in Zafar (Hauptstadt von Himyar), Spätvorislam im Jemen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
250 Jahre lang beherrschte die Stammeskonföderation der Ḥimyar mit ihren Alliierten den größten Teil der arabischen Halbinsel (2,5 Mio. km2) bis sich im späten 6. Jh. n.Chr. ihre epigraphischen und archäologischen Spuren verlieren. Mit 110 ha ist ihre Hauptstadt Ẓafâr die zweitgrößte kartierte Fundstätte Arabiens. Ḥimyar ist wichtig als Wiege des Islams in Altsüdarabien sowie wegen seiner jüdischen und christlichen Zeugnisse. Die traditionelle arabische Geschichtserzählung erwähnt nur einige wenige Namen der tubbaʿ/tabābiʿah-Könige von Ḥimyar. Der Forschungsstand bestand daher zu Projektbeginn aus einem archäologisch leeren Raum, so dass man meinen konnte, dass Architektur oder der bildenden Künste aus dieser Zeit in Ḥimyar fehlen. Das Projekt hat nun mehr Licht auf dieses Reich geworfen, das kurz vor einer der großen Wendungen der Weltgeschichte, der Geburt und Entwicklung des Islams, eine wichtige aber unterschätzte Rolle gespielt hat. Die übliche Beschreibung Ḥimyars als 'dekadent' ist problematisch, da frühere Generationen Dekadenz als militärische Niederlagen und später als Zeichen von moralischer Schwäche verstanden. Im Fall von Ḥimyar sind solchen Werturteile plakativ und oberflächlich moralisierend, um den Islam aufzuwerten. Zu Beginn hatten wir uns aufgrund der sechs zwischen 1998 und 2005 durchgeführten Geländekampagnen an die mangelnde Infrastruktur vor Ort gewöhnt und verschiedene Lösungen für die daraus entstehenden Herausforderungen entwickelt. Wir hatten damals bereits die Bestände des Ortsmuseums aufgenommen und sie vorläufig katalogisiert. Damit gewannen wir langsam eine Vorstellung über Keramik, Skulptur, und Inschriften, aber leider ohne eine Chronologie. Die Entdeckung eines 15 m langen Reliefs erwies sich als wichtiger Fund, jedoch schwieriger zu dokumentieren war als zuerst gedacht. Wir fürchteten, dass unsere Kampagne im Jahre 2009 die letzte sein könnte und die Reliefs beschädigt oder entwendet werden könnten. Deshalb haben wir im Jahre 2010 die Reliefs 3D gescannt und veröffentlicht. Unsere Navigationssoftware für den 3D-Raum (ISEE) entwickelten es für das Ẓafâr Virtual Museum. Sie hat also kommerzielle Relevanz und ermöglicht die Präsentation von umfangreichen, oft heterogenen Materialien im Bereich der Denkmalpflege.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Arabiens antike Großmacht Zwischen der Königin von Saba und Mohammed: Deutsche Archäologen rekonstruieren Aufstieg und Fall der Herrscher von Himyar. DIE ZEIT, 22.01.2009 Nr. 05.
Kai Michel
- Late Antique Arabia Ẓafār, Capital of Ḥimyar, Rehabilitation of a ‘Decadent’ Society, Excavations of the Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1998–2010 in the Highlands of the Yemen. Abhandlungen Deutsche Orient-Gesellschaft, Bd. 29. 2013, XXVII, 310 S.
P. Yule