Entwicklung und Evaluation von Prognoseverfahren für die Produktionsprogrammplanung auf Basis von Vorhersagemodellen der Nichtlinearen Dynamik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Prognose der zukünftigen Kundennachfrage ist von signifikanter Bedeutung für produzierende Unternehmen, denn die Folgeschritte der Produktionsplanung und -steuerung basieren auf diesen Prognosen. Die Berechnung genauer Prognosen stellt allerdings häufig eine schwierige Aufgabe dar, weil die Kundennachfrage von diversen Einflüssen abhängt. In der Praxis überwiegend verwendete, simple Verfahren führen oft zu schlechten Prognosen, da sie nicht dazu in der Lage sind, die Einflüsse ausreichend zu berücksichtigen. In der ersten Phase des vorliegenden Projekts wurde gezeigt, dass Prognoseverfahren der Nichtlinearen Dynamik (NLD) verschiedene Einflüsse auf die Kundennachfrage berücksichtigen und daher spezielles Potenzial zur Prognose komplex dynamischer Nachfrageverläufe besitzen. Durch Entwicklung eines genetischen Algorithmus zur Parameteroptimierung sowie durch Verbindung der lokal linearen NLD-Modelle mit Regularisierungsmethoden wurden in der hier beschriebenen zweiten Projektphase robuste automatische NLD-Prognoseverfahren entwickelt. Diese wurden sowohl zur Prognose regalmäßiger Nachfrageverläufe verwendet als auch zur Prognose sporadischer Nachfrage adaptiert. Innerhalb verschiedener Evaluationsstudien wurden im Projekt unterschiedliche automatische Verfahren hinsichtlich ihrer Prognosegüte verglichen. Dabei erzielten insbesondere regularisierte lokal lineare NLD-Modelle, eine ARIMA-Methode und ein exponentielles Glättungsverfahren gute Ergebnisse. Insgesamt bestätigten die Evaluationsstudien aber die allgemein anerkannte Aussage, dass kein Verfahren existiert, das stets bessere Prognoseergebnisse liefert als alle anderen Verfahren. Daher wurde eine Methode zur Auswahl geeigneter Prognoseverfahren entwickelt. In Verbindung mit einem Parameterkonfigurator bildet diese Methode ein automatisches Prognosesystem, welches das Hauptergebnis des Projekts darstellt. Da viele Unternehmen eine große Anzahl unterschiedlicher Produktvarianten innerhalb verschiedener Produktklassen fertigen, fehlt zumeist die Zeit, jeden Nachfrageverlauf einzeln zu betrachten. Zudem sind zuständige Mitarbeiter häufig keine Experten im Bereich der Zeitreihenanalyse. Weil die Tauglichkeit eines Prognoseverfahrens vom betrachteten Nachfrageverlauf abhängt, müssen zunächst zwei Schritte durchgeführt werden, bevor Prognosen erstellt werden können: Es muss ein geeignetes Prognoseverfahren ausgewählt werden und dessen Parameter müssen möglichst optimal konfiguriert werden. In der Praxis existieren zwei Standardansätze für dieses Problem. In der Regel wird entweder stets das gleiche Prognoseverfahren verwendet oder es wird eine Menge an Verfahren für den betrachteten Nachfrageverlauf trainiert und dasjenige mit dem geringsten Trainingsfehler ausgewählt. Im ersten Fall wird zwar wenig Rechenaufwand benötigt, allerdings folgen schlechte Prognosen, falls das verwendete Verfahren den Zeitreihenverlauf nicht geeignet abbilden kann. Im zweiten Fall entsteht ein hoher Rechenaufwand, da die Parameter mehrerer Verfahren optimiert werden müssen. Zudem wurde in einer Evaluationsstudie des vorliegenden Projekts gezeigt, dass dieser Ansatz nicht notwendigerweise zu guten Ergebnissen führt, da einige Verfahren zur Überanpassung an Nachfrageverläufe tendieren. Dies führt zwar zu geringen Trainingsfehlern aber auch zu geringer Prognosefähigkeit. Die Anwendung des entwickelten automatischen Prognosesystems verspricht bessere Ergebnisse als die Standardansätze aus der Praxis. Dieses ist dazu in der Lage, automatisch ein geeignetes Prognoseverfahren auszuwählen, dessen Parameter abhängig vom gegebenen Nachfrageverlauf zu optimieren und qualitativ hochwertige Prognosen zu erstellen. Die Auswahl eines Verfahrens basiert auf einem Klassifikator, der durch eine Diskriminanzanalyse erstellt wird. Dabei wird eine Verbindung zwischen speziellen Charakteristika (Klassifikations-Features) der betrachteten Zeitreihen der Kundennachfrage und der Eignung unterschiedlicher automatischer Verfahren (Klassifikations-Labels) zur Prognose des zukünftigen Nachfrageverlaufs hergestellt. Zur Auswahl eines geeigneten Verfahrens werden Charakteristika der betrachteten Zeitreihe berechnet und mit Hilfe des Klassifikators wird ein geeignetes Prognoseverfahren ausgewählt. Insbesondere die zusätzliche Einbeziehung von Maßzahlen der Recurrence Quantification Analysis als Klassifikations-Features sowie NLD-Prognoseverfahren als Klassifikations-Labels führten zu einer erhöhten Prognosegüte des Prognosesystems. In den durchgeführten Evaluationsstudien anhand realer Unternehmensdaten erzielte das automatische Prognosesystem bessere Ergebnisse als die Standardansätze aus der Praxis sowie bessere Ergebnisse als ein Benchmarkverfahren. Aufgrund hoher Prognosegüte sowie geringem Rechenaufwand besitzt das automatische Prognosesystem großes Verwertungspotenzial zur Anwendung in der Praxis. Daher ist die Anwendung des Systems innerhalb des Demand-Plannings eines Unternehmens im Rahmen eines Transferprojekts sinnvoll. Dabei kann die Prognosefähigkeit des Systems in der praktischen Anwendung getestet und durch detaillierte Feinkonfiguration des Systems weiter erhöht werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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A Genetic Algorithm to Optimize Lazy Learning Parameters for the Prediction of Customer Demands. In: Proceedings of the 12th IEEE International Conference on Machine Learning and Applications (ICMLA), Miami, 2013, S. 160-165
Kück, M.; Scholz-Reiter, B.
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Prediction of customer demands for production planning - Automated selection and configuration of suitable prediction methods. In: CIRP Annals - Manufacturing Technology, 63(1), 2014, S. 417-420
Scholz-Reiter, B.; Kück, M.; Lappe, D.
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Robust Methods for the Prediction of Customer Demands Based on Nonlinear Dynamical Systems. In: Procedia CIRP, 19, 2014, S. 93-98
Kück, M.; Scholz-Reiter, B.; Freitag, M.