Functional characterization of brown adipose tissue in phylogenetically ancient eutherian mammals, Afrotheria
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Endotherme Säugetiere verteidigen ihre Körpertemperatur durch zwei Mechanismen der körpereigenen (endogenen) Wärmebildung, zum einen durch das Muskelzittern und zum anderen durch die zitterfreie Wärmebildung. Der Ort der zitterfreien Wärmebildung ist das braune Fettgewebe (Nicholls und Locke 1984), wo die Aktivität des Entkopplerproteins 1 (uncoupling protein 1) die Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung von der ATP-Synthese bewirkt und die im Protonengradienten gespeicherten Energie als Wärme freisetzt. Besonders Vertreter der modernen Säugetierordnung Eutheria aus den nördlichen Breiten wurden eingehend auf ihre Kapazität zur zitterfreien Wärmebildung untersucht. Dies führte dazu, dass die Expression von braunem Fett und die Fähigkeit zur zitterfreien Wärmebildung als Prärogativ der eutherischen Säugetiere diskutiert wurden. Es soll ihnen die Migration in kältere holarktische Regionen ermöglicht haben, einen experimentellen Nachweis für diese Hypothese gibt es bislang nicht. Die nächst höhere Säugetierunterklasse bei der UCP1 und braunes Fett detektiert wurde, sind die Beuteltiere, jedoch scheint ihrem braunen Fett das Hauptcharakteristikum der adaptiven Thermogenese zu fehlen (keine Kälteanpassung). Der evolutionäre Ursprung der UCP1 vermittelten Thermogenese konnte also bis jetzt noch nicht eindeutig geklärt werden. Um die Funktion des braunen Fettgewebes in phylogenetisch älteren Arten aus afrotropischen Regionen besser zu verstehen, beschäftigte sich der erste Teil dieser Studie mit den thermoregulatorischen Kapazitäten von Westlichen Klippen-Elefantenspitzmäusen (Elephantulus rupestris) aus Südafrika im Freiland (Überordnung: Afrotheria). Entgegen der allgemeinen Meinung, zeigten die untersuchten Elefantenspitzmäuse eine sehr ausgeprägte Fähigkeit, sich den energetisch höher werdenden Anforderungen während der Wintermonate anzupassen. Erkennbar waren diese Anpassungen in einem gesenkten Basalstoffwechsel während der Wintermonate, einer erhöhten Torporfrequenz (Torpor trat jedoch auch im Sommer auf) und einer signifikanten Erhöhung der vom braunen Fett vermittelten Thermogenesekapazität. Der eindeutige Nachweis dafür, dass adaptive Thermogenese auch ein bestehendes Charakteristikum der saisonalen Anpassung von afrotherischen Säugetieren ist. Darüber hinaus bestätigten weitere Analysen, dass die Fähigkeit zur adaptiven Thermogenese der Afrotheria einen hohen Grad an thermoregulatorischer Plastizität aufweist; vergleichbar mit den thermoregulatorischen Fähigkeiten eutherischer Säugetiere der nördlichen Breiten. Ein evolutionäres Szenario, in dem braunes Fett und adaptive Thermogenese primär zur Besiedlung holarktischer Regionen entstanden sind, erscheint vor diesem Hintergrund sehr unwahrscheinlich. Anhand dieser Ergebnisse ist es möglich, dass innerhalb der Säugetierphylogenie braunes Fett seine volle thermogenetische Funktion an einem Punkt nach der Transition der Beuteltiere entwickelt hat. Die ursprünglichste Form von braunem Fettgewebe müsste demnach innerhalb der Afrotheria zu finden sein. Es gibt eine Gruppe von Säugetieren, die zwischen das Evolutionsstadium fakultativ endothermer Reptilien und endothermer Säugetieren gestellt werden kann. Diese sogenannten „protoendothermen“ Säugetiere zeichnen sich durch eine sehr hohe Flexibilität in ihrem thermoregulatorischen Verhalten und den fakultativen Nutzen von Ektothermie zur Energieeinsparung aus. Braunes Fett konnte bei ihnen bislang nicht nachgewiesen werden. Der kleine Igeltenrek (Echinops telfairi) ist ein protoendothermes Säugetier, das zur Überordnung Afrotheria zählt. Er lebt endemisch auf Madagaskar und ist der ideale Modellorganismus bei der Untersuchung einer direkten Verbindung zwischen Endothermie und der Evolution von voll funktionalem braunem Fettgewebe. Die Körpertemperatur des kleinen Igeltenreks ist stark an die Umgebungstemperatur gekoppelt und zeigt reptilien-ähnliche Verläufe. Durchgängig hohe (~32°C) Körpertemperaturen werden nur von Weibchen während Perioden der Reproduktion und der elterlichen Fürsorge erreicht (Poppitt et al. 1994). Auch wenn kleine Igeltenreks Formen der endogenen Thermogenese nur sehr opportunistisch zu nutzen scheinen, konnte braunes Fettgewebe und auch dessen Kälterekrutierung nachgewiesen werden. Weiteres bioenergetisches Profiling von Tenrek UCP1 ergab die gleiche thermogenetische Potenz wie modernes Maus UCP1, unabhängig von der großen phylogenetischen Distanz zwischen den beiden UCP1 Orthologen. Demnach besitzen auch primitive, protoendothermen Säugetiere voll funktionales braunes Fett. Sie nutzen es nur nicht zur dauerhaften Aufrechterhaltung einer konstant hohen Körpertemperatur. Die Präsenz von aktivem gonadalen braunem Fett und die erhöhten Körpertemperaturen trächtiger Tenrekweibchen deuten daraufhin, dass braunes Fett beim kleinen Igeltenrek primär eine Rolle bei der Jungaufzucht spielt. Unsere Daten unterstützen dadurch ein evolutionäres Szenario, in dem aktive Selektion zu einer erhöhten Inkubationstemperatur des Fötus und sekundär zu einer Erhöhung der Körpertemperatur geführt hat. Dies ist eine Bekräftigung der elterlichen Fürsorgen Theorie der Evolution der Endothermie (parental care theory. Eine direkte Ursache für die Evolution eines distinkten thermogenetischen Organs wie dem braunen Fett wurde in diesem Kontext jedoch noch nie untersucht. Basierend auf meinen Daten entwickelten wir ein neues Schema zur Evolution der Endothermie, in dem die vom braunen Fett vermittelte zitterfreie Wärmebildung zu einer verbesserten Inkubation und Brutpflege des Nachwuchses geführt hat. Dies ermöglichte die Radiation erster ursprünglicher Eutherier und führte zur Entstehung der ersten obligat endothermen Säugetiere. Die weitere Entwicklung und funktionelle Spezialisierung des braunen Fettgewebes, in Richtung Aufrechterhaltung einer konstant hohen Körpertemperatur, führte erst dann zur Erschließung weiterer ökologischer Nischen und zur Migration in holarktische Gebiete.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2011) Life on low flame in hibernation. Science 331: 886-887
Heldmaier, G.
- (2012) Hibernation in freeranging African woodland dormice, Graphiurus murinus. T. Ruf et al. (eds.), Living in a Seasonal World, Springer-Verlag (Berlin, Heidelberg), chapter 4: 41- 50
Mzilikazi N., Madikiza Z., Oelkrug R. and Baxter R.
- (2012) Molecular characterization of brown adipose tissue in a ‘protoendothermic’ mammal provides a novel approach to the understanding of uncoupling protein evolution. EBEC Meeting 2012
Oelkrug R., Goetze N., Exner C., Ganjam G.K., Müller S., Kutschke M., Tschöp M., Heldmaier G., Jastroch M., Meyer C.W.
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1016/j.bbabio.2012.06.125) - (2012) Seasonal Changes in Thermogenesis of a Free-ranging Afrotherian Small Mammal, the Western rock elephant shrew (Elephantulus rupestris). J. Comp. Physiol. B: 182: 715-727
Oelkrug R., Meyer C.W., Heldmaier G. and Mzilikazi N.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00360-012-0647-x) - Molecular characterization of nonshivering thermogenesis in a ‘protoendothermic’ mammal, the Lesser hedgehog tenrec (Echinops telfairi) - Evolution of mammalian nonshivering thermogenesis. 17th European Bioenergetics Conference (EBEC) in Freiburg, Deutschland
Oelkrug R., Goetze N., Exner C., Ganjam G., Müller S., Kutschke M., Tschöp M., Heldmaier G., Jastroch M. and Meyer C.W.
- Molecular characterization of nonshivering thermogenesis in a ‘protoendothermic’ mammal, the Lesser hedgehog tenrec (Echinops telfairi) - Evolution of mammalian nonshivering thermogenesis. Experimental Biology Meeting 2012 in San Diego, USA
Oelkrug R., Goetze N., Heldmaier G., Jastroch M. and Meyer C.W.
- Molecular characterization of nonshivering thermogenesis in a ‘protoendothermic’ mammal, the Lesser hedgehog tenrec (Echinops telfairi). 12th International Hibernation Symposium 2012 in Wien, Österreich
Oelkrug R., Goetze N., Exner C., Ganjam G., Müller S., Kutschke M., Tschöp M., Heldmaier G., Jastroch M. and Meyer C.W.