Detailseite
Projekt Druckansicht

Psychophysikalische Untersuchung der Sensitivität für Disparitätsinformationen sowie der Wahrnehmung von 3D subjektiven Konturen im ersten Lebensjahr

Fachliche Zuordnung Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Förderung Förderung von 2009 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 136889108
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Vorhaben zum stereoskopischen Sehen im ersten Lebensjahr wurden die Genese der Sensitivität für ungekreuzte horizontale Disparität, die Wahrnehmung stereoskopisch definierter zweidimensionaler Formen sowie der Einfluss stereoskopischer Tiefeninformationen auf die Wahrnehmung subjektiver Konturen behandelt. Als Methoden wurden das Habituations-Dishabituationsparadigma sowie die Präferenztechnik verwendet. Alle Testungen erfolgten mit Hilfe eines autostereoskopischen Monitors. Die Entstehung der Sensitivität für ungekreuzte horizontale Disparität wurde längsschnittartig untersucht. Eine Stichprobe von Säuglingen wurde im Zeitraum zwischen 6 bis 20 Lebenswochen wöchentlich sowohl mit der klassischen Präferenzmethode, in der Blickdauern erhoben werden (CNP-Methode) als auch mit der „forced-choice preferential looking (FPL)“-Technik auf ihre Fähigkeit hin getestet, ein durch gekreuzte horizontale Disparität von einem durch vertikale Disparität definierten Quadrat zu unterscheiden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Säuglinge nach der FPL-Methode ab 13 Lebenswochen und nach der CNP-Methode ab 15 Wochen in statistisch signifikanter Weise das durch ungekreuzte horizontale Disparität spezifiziertes Quadrat präferieren. Das zweite Experiment testete, ob Säuglinge in der Lage sind, zweidimensionale Forminformationen zu extrahieren, die durch horizontale Disparität definiert sind. Fünf, nicht aber 4 Monate alte Babys wiesen die Fähigkeit auf, zwei in Zufallspunktestereogramme eingebettete Formen zu unterscheiden. Diese Leistung ist allerdings fragil, da wir festgestellt haben, dass die verwendeten Formen sehr disjunkt sein müssen, um den Pbn eine Unterscheidungsleistung zu ermöglichen. Drittens ging es um die Fähigkeit zur Extraktion dreidimensionaler Kanizsa-Figuren, also von Figuren, deren subjektive Kontur durch Disparitätsinformationen entweder in den Hintergrund oder in den Vordergrund verschoben war. Zwar zeichnete sich bei 4, 5 und 7 Monate alten Säuglingen ab, dass sie die beiden Arten von dreidimensionalen Kanizsa-Figuren unterscheiden konnten. Allerdings gab es keine signifikanten Unterschiede dieser Hauptbedingung zu einer Kontrollbedingung, in der zwar die subjektive Kontur, nicht aber die binokularen Tiefenunterschiede aus den Reizfiguren eliminiert waren. Daher bleibt unklar, ob die Pbn der Hauptbedingung die globalen Differenzen in der Lokation der subjektiven Kontur erkennen konnten. Auch eine weitere Studie, in der die Fähigkeit zur Unterscheidung einer bildhaften, zweidimensionalen Kanizsa-Figur von einer Kanizsa-Figur getestet wurde, deren subjektive Kontur durch gekreuzte horizontale Disparität in den Vordergrund verschoben war, ließ keine eindeutigen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Wahrnehmung zweiund dreidimensionaler subjektiver Konturen zu. Eine nächste Fragestellung befasste sich mit amodalen Komplettierungsprozessen bzw. amodaler Objekteinheit. Wir wollten feststellen, ob Säuglinge ein von einer durch gekreuzte horizontale Disparität verstärkten subjektiven Kontur teilweise verdecktes Objekt als vollständig bzw. als sich hinter der subjektiven Kontur erstreckend wahrnehmen. Die von uns untersuchten 5 und 7 Monate alten Babys zeigten in allen Versuchsbedingungen, d.h. auch in den Präferenztests, in denen kontrolliert wurde, ob die Pbn eine natürliche Bevorzugung für einen der Testreize besitzen, überraschenderweise eine Präferenz für einen der experimentellen Testreize. Daher sind aus dem Experiment keine klaren Aussagen zur amodalen Objektvervollständigung ablesbar. In dem letzten Experiment ging es um die Fähigkeit, auf stereoskopische subjektive Figuren nach von Szily zu reagieren, in denen subjektive Konturen sowohl durch horizontale Disparität als auch durch Halbokklusionen erzeugt werden. In von Szily-Figuren überkreuzen sich zwei gleichfarbige Flächen. Sie können nur durch stereoskopische Tiefeninformationen als voneinander abgehoben und so als eigenständig erkannt werden. Als erstes konstatierten wir, dass sowohl 5 als auch – allerdings in schwächerer Form – 4 Monate alte Babys einen Austausch des relativen Tiefenverhältnisses der beiden Teilflächen einer von Szily-Figur bemerken. Fünf Monate alte Babys nehmen zudem eine modale Komplettierung vor, d.h. sie nehmen die vordere Fläche einer von Szily-Figur als zusammenhängende Einheit wahr. Auch in diesem Experiment haben wir Variationen der experimentellen Stimuli vorgenommen, d.h. auch hier stehen die Untersuchungsergebnisse in Abhängigkeit von der konkreten Ausführung des Reizmaterials. Das Forschungsprojekt ist mehrmals in den Medien erwähnt worden. Insbesondere wurde es im März 2016 auf RTL in der Sendung „Loop – Wissen Hautnah“ vorgestellt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung