Martin Luthers lateinische Bibel
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Wie zahlreiche weitere humanistisch gebildete Gelehrte seine Zeit, so hat sich auch Luther intensiv mit der Verbesserung des überlieferten lateinischen Bibeltextes der Vulgata befasst. Das Forschungsprojekt hat diese lebenslange Beschäftigung Luthers mit dem lateinischen Bibeltext erstmals im Zusammenhang rekonstruiert. Dabei zeigte sich, dass Luthers Arbeit an der lateinischen Bibel werkbiographisch in drei Phasen einzuteilen ist, in denen unterschiedliche Ziele und Prinzipien leitend waren: 1) Die Zeit der frühen Vorlesungen bis zum Wormser Reichstag (1513-1521). Das Projekt der Herstellung eines nach dem hebräischen Grundtext korrigierten lateinischen Textes der Psalmen als Grundlage seiner ersten exegetischen Vorlesung überhaupt blieb aus Mangel an Zeit und fundierten philologischen Kenntnissen in den Anfängen stecken. Tatsächlich schien ihm die Herstellung einer philologisch korrekten lateinischen Bibelübersetzung damals auch aus hermeneutischen Gründen nicht vordringlich. In den folgenden Jahren hat Luther in seinen Vorlesungen und Publikationen seine Exegese immer konsequenter auf die biblischen Grundtexte abgestellt und immer offener Fehlübersetzungen der Vulgata kritisiert, ohne indessen zusammenhängende eigene lateinische Textfassungen herzustellen. 2) Die Jahre 1523-1529. Seit der Wiederaufnahme seiner Vorlesungstätigkeit nach dem Wartburgaufenthalt und dem Beginn der deutschen Bibelübersetzung verfolgte Luther wenigstens zeitweise das Ziel, eine nach den Grundtexten verbesserte lateinische Bibelausgabe herzustellen. Wahrscheinlich arbeitete Luther seit 1523 gemeinsam mit Melanchthon an diesem Projekt. Als Pilotveröffentlichungen können Luthers Ausgabe des lateinischen Deuteronomiums von 1525 und seine Ausgabe des lateinischen Psalm 118 (119) von 1527 gelten. Den Höhepunkt dieser Bestrebungen bildete die Publikation der sog. Wittenberger Vulgata im Jahre 1529, die die Geschichtsbücher des Alten Testaments und das Neue Testament in einem nach bestimmten feststehenden Prinzipien revidierten Vulgata-Text enthielt und als Hilfsmittel für das Bibelstudium dienen sollte. Demgegenüber bot der sog. Wittenberger Psalter aus dem gleichen Jahr, der für den liturgischen Gebrauch gedacht war, einen kaum veränderten Vulgata-Text. 3) Die Jahre 1530-1546. In den letzten anderthalb Jahrzehnten seines Lebens hat Luther den Plan einer vollständigen lateinischen Bibelausgabe nicht weiter verfolgt. Neben der Orientierung am hebräischen (bzw. aramäischen) und griechischen Grundtext der Bibel kam der Übersetzung ins Lateinische nun nur noch ein untergeordneter Hilfscharakter zu. Die Bindung an die überlieferte Vulgata gab Luther auf und übersetzte stattdessen nun ad hoc aus den Grundtexten frei ins Lateinische.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Allein die Schrift“. Die Bedeutung der Bibel für Luther und die Bedeutung Luthers für die Bibel, in: Jürgen Schefzyk / Eberhard Zwink (Hg.), Luthers Meisterwerk. Ein Buch wie eine Naturgewalt. Mainz 2015, 6-11
Wolf-Friedrich Schäufele