Umweltauswirkungen partizipativer Governance: Eine vergleichende Meta-Analyse von Fallstudien umweltbezogener Entscheidungsprozesse
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Beteiligung von Bürgern und zivilgesellschaftlichen Gruppen an Entscheidungsverfahren in Politik und Verwaltung wird ein großes Potenzial zugesprochen. Im Vergleich zu klassisch hoheitlichen Verfahren lassen partizipative Verfahren zum einen besser informierte Entscheidungen durch den Einbezug von (lokalem) Wissen, durch kollektive Lernprozessen und eine stärkeren Berücksichtigung ökologischer Belange erwarten. Zum anderen erwartet man eine verbesserte Akzeptanz und Umsetzung von Entscheidungen durch eine erhöhte Identifikation seitens der Beteiligten in partizipativen Verfahren. Gleichwohl gab es in der Vergangenheit kaum systematische und belastbare Belege für die empirische Gültigkeit dieser Thesen. Befürworter wie Kritiker partizipativer Verfahren bringen unterschiedliche Argumente ins Feld, die sich auf teils widersprechende Theorien stützen. Empirische Forschungen liegen zum allergrößten Teil in Form einer Vielzahl von Einzelfallstudien vor. Daraus lässt sich eine passende Fallstudie für praktisch jedes Argument - pro oder contra Beteiligung - finden. Das Projekt ECOPAG hatte zum Ziel, die vorliegende Vielzahl publizierter Fallstudien zu umweltbezogenen Entscheidungsprozessen systematisch vergleichend auszuwerten in Bezug auf die Frage: ob, inwieweit, und unter welchen Bedingungen Beteiligungsverfahren im Unterschied zu rein hoheitlichen Entscheidungsverfahren die umweltbezogene Qualität von Entscheidungen sowie deren Umsetzung fördern (oder nicht). In einem ersten Schritt wurde dazu ein theoretisch informiertes Analyseschema erarbeitet. Dieses „Scheme for the comparative analysis of public environmental decision-making“ (SCAPE) enthält mehr als 300 Variablen zum problembezogenen, institutionellen und akteursbezogenen Kontext eines Verfahrens, zu den mehr oder weniger partizipativen Prozesseigenschaften eines Verfahrens sowie zu dessen umweltbezogenen Ergebnissen, deren Akzeptanz und Umsetzung. Mit seinem Detailgrad und zahlreichen innovativen Elementen eignet sich dieses Schema auch für den Einsatz in anderen Forschungsprojekten. In einem aufwändigen Verfahren wurden mehr als 2000 publizierte Fallstudien umweltbezogener Entscheidungsverfahren vor allem in Europa und Nordamerika identifiziert, aus denen knapp 600 ausreichend detailreiche Fälle identifiziert wurden. Aus einer Zufallsstichprobe von 200 Fällen wurden im Berichtszeitraum 150 Fallstudien von jeweils drei Personen unabhängig voneinander mithilfe des SCAPE-Schemas kodiert. Durch dieses „Case-Metaanalyse“ oder „Case-Survey“ genannte Verfahren werden die qualitativen Informationen der Fallstudien in meist quantitative Variablenwerte überführt. Damit setzt das Projekt neue Maßstäbe in Bezug auf methodische Stringenz, Transparenz und Replizierbarkeit. Obwohl die Fallstudien-Metaanalyse bei Berichterstellung (April 2013) noch nicht abgeschlossen ist, lassen sich einige vorläufige Schlussfolgerungen ziehen. So hat „mehr“ bzw. „bessere“ Partizipation in den untersuchten Fällen der Tendenz nach zu besser akzeptierten Prozessergebnissen gegenüber „weniger partizipativen“ Verfahren geführt. Neben den Einflussmöglichkeiten durch nichtstaatliche Akteure stehen eine Reihe von Prozesseigenschaften wie Deliberation, Dialog oder Fairness im Zusammenhang mit der Lösung von Konflikten in Entscheidungsprozessen. Allerdings hängt das erreichte Umweltschutzniveau von Entscheidungen weniger von Prozesscharakteristika oder der allgemeinen Einbindung nichtstaatlicher Akteure, sondern von der Repräsentation umweltbezogener Interessen ab. So scheint in erster Linie das Interessenspektrum der Beteiligten Ausschlag gebend für die Ergebnisse von Beteiligungsprozessen zu sein. Erst eine umfassende Analyse wird zeigen, unter welchen spefzischen Bedingungen Beteiligungsprozesse auf welche Weise „wirken“. Das Projekt ECOPAG ist im „Blauen ABC“ der DFG zu Nachhaltigkeit unter dem Buchstaben „P“ wie „Partizipation“ vertreten (http://www.dfg.de/sites/blaues-abc/).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009): The case survey method and applications in political science. APSA 2009 Paper,Toronto
Newig, Jens & Fritsch, Oliver
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2010): What is Social Learning?, in: Ecology & Society 15 (2)
Reed, M. S.; Evely, A. C.; Cundill, G.; Fazey, I.; Glass, J.; Laing, A.; Newig, J.; Parrish, B.; Prell, C.; Raymond, C. & Stringer, L. C.
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(2011): Anspruch und Wirklichkeit. Befördert Partizipation umweltpolitisch "gute" Entscheidungen?, in: Forum Umwelt & Entwicklung (Hrsg.): Demokratie & Umweltkrise. Brauchen wir mehr Mitbestimmung?, München, 206-211
Newig, Jens & Fritsch, Oliver
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(2012): More effective natural resource management through participatory governance? Taking stock of the conceptual and empirical literature - and moving forward, in: Karl Hogl; Eva Kvarda; Ralf Nordbeck & Michael Pregernig (Hrsg.): Environmental Governance. The Challenge of Legitimacy and Effectiveness, 46-68
Newig, Jens
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(2013): Comparative analysis of public environmental decision-making processes: a variablebased analytical scheme. INFU Discussion Papers, Lüneburg
Newig, Jens; Adzersen, Ana; Challies, Edward; Fritsch, Oliver & Jager, Nicolas