Militärische Intervention zum Schutz fremder Untertanen in der Frühen Neuzeit. Die England-Intervention des Prinzen von Oranien 1688
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt beschäftigt sich mit dem Schutz fremder Untertanen in der Frühen Neuzeit. Immer wieder haben Herrschaftsträger in anderen Gemeinwesen militärisch interveniert, um die dort lebenden Einwohner vor (politisch bzw. religiös) bedingten Verfolgungen zu schützen. Der Gegenstand ist bislang noch nicht systematisch historisch untersucht worden, trotz der Aktualität der Thematik („Humanitäre Intervention“). Zusätzliche Brisanz erhält der Schutz fremder Untertanen durch die Diskussion über ein festgefügtes „Westfälisches System“ souveräner Staaten, das – so eine verbreitete Auffassung innerhalb der geschichts-, politik- und völkerrechtswissenschaftlichen Forschung – die Staatenbeziehungen nach 1648 bestimmt habe. Es gilt als Kennzeichen eines solchen „Westfälischen Systems“ und eines „Westfälischen Zeitalters“ der Staatenbeziehungen, solche Militärinterventionen nicht mehr akzeptiert zu haben. Konkreter Ansatzpunkt des Projektes war die Militärintervention Wilhelms von Oranien im Jahre 1688 in England, die den Auftakt zur Glorreichen Revolution bildete. Trotz intensiver Beachtung in der Forschung ist sie unter der Perspektive des Schutzes fremder Untertannen noch nicht analysiert worden. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes basierten auf eingehenden archivalischen Recherchen des Projektleiters in den Staats- bzw. Nationalarchiven in Berlin, Den Haag, London, Marburg, Münster und Wien. Sie zielten auf die Rekonstruktion der diplomatischen Vorbereitung der Expedition sowie auf deren Legitimation. Zentrales Ergebnis war der markante Unterschied zwischen der internen Begründung der Expedition gegenüber potentiellen Alliierten im Vorfeld der Intervention und ihrer nach außen gerichteten Legitimation. Bei der internen Begründung spielte der Schutz fremder Untertanen keine herausragende Rolle. Im Mittelpunkt standen andere Ziele, insbesondere die Einbindung Englands in die europäische Koalition gegen Ludwig XIV. Die hier erzielten Ergebnisse sind überdies wertvoll für eine Beurteilung des revolutionären Charakters der Glorreichen Revolution, der neuerdings wieder in das Blickfeld der Forschung gerückt ist und der kontrovers diskutiert wird. Letztlich ging es den dem Prinzen von Oranien und seinen Verbündeten darum, extreme (und zwar sowohl monarchisch-absolutistische als auch republikanische) Entwicklungen in England zu vermeiden und das Inselkönigreich zu einem nützlichen Mitglied der antiludovizianischen Allianz zu machen. Nach außen hin, bei der Legitimation des Unternehmens, erlangte der Schutz fremder Untertanen dagegen zentrale Bedeutung. Die prinzipielle Rechtfertigung einer solchen Intervention war offensichtlich unumstritten. Die Schwelle zur Akzeptanz solcher Interventionen lag – betrachtet man es aus moderner Perspektive – recht niedrig. Nicht nur weitausgreifende Verfolgungsmaßnahmen, sondern auch Rechts- und Privilegienverstöße von Obrigkeiten kleineren Zuschnitts konnten solch ein Eingreifen als gerechtfertigt erscheinen lassen. Mit dem, was heute als Humanitäre Intervention bezeichnet wird, ist der Schutz fremder Untertanen in der Frühen Neuzeit nur sehr bedingt zu vergleichen. Insgesamt deuten die erzielten Ergebnisse darauf hin, dass die Vorstellung der Existenz eines angeblichen Westfälischen Systems, das von einer geringer werdenden Akzeptanz militärischen Schutzes fremder Untertanen geprägt gewesen sein soll, so nicht aufrechtzuerhalten ist. Zudem ergeben sich neue Forschungsperspektiven auf die grundsätzliche Beurteilung des Religionskriegs und der kaiserlichen Politik in dieser Epoche.