Entscheidungsverhalten im gesunden Alter in Abhängigkeit von zeitlicher Distanz und sozioemotionaler Relevanz
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des vorliegenden Projektes war es, die neuronalen Korrelate einer veränderten Emotionsregulation im gesunden Alter in Abgrenzung zur Altersdepression multidimensional zu erforschen. Dazu wurden geeignete Paradigmen entwickelt, die mit funktioneller Kernspintomographie untersucht werden konnten. Zunächst konnte die Validität eines selbst entwickelten Paradigmas zur emotionalen Interferenz mit attentionaler Manipulation bei jungen gesunden Probanden bestätigt werden. Die Anwendung dieses Paradigmas bei gesunden älteren Probanden bestätigte den von der Sozioemotionalen Selektivitätstheorie (SST) vorhergesagten Positivitätseffekt im Sinne einer erhöhten Distraktibilität durch positive Reize, wenn ausreichende kognitive Ressourcen zur Verarbeitung dieser Distraktoren zur Verfügung standen. Als neuronales Korrelat dieses Effektes wurde das rostrale anteriore Cingulum identifiziert (rACC), das eine Schlüsselrolle in der Verarbeitung und Regulation emotional salienter Informationen einnimmt. Die erhöhte Aktivität in dieser Region war dabei direkt mit einer größeren emotionalen Stabilität in der Gruppe der älteren Probanden verbunden. Im nächsten Schritt untersuchten wir den Einfluss erfolgreichen und nicht-erfolgreichen Alterns auf das emotionale Entscheidungs- und Belohnungsverhalten. Dazu implementierten wir ein Paradigma, das bei gesunden jungen Probanden durch die Konfrontation mit verpassten Chancen das Gefühl von Bedauern auslösen kann, was sich auch neuronal abbilden ließ. Die Anwendung des Paradigmas bei emotional gesunden älteren sowie altersdepressiven Probanden ergab ein vermindertes behaviorales, neuronales und autonomes Ansprechen auf verpasste Chancen bei gesund gealterten Menschen, während sich bei Alterdepressiven ähnliche Muster wie bei jungen Probanden zeigten. Im Gegenzug zeigte auch diese Studie eine Mehraktivierung im rostralen ACC bei gesunden Älteren während der Konfrontation mit verpassten Chancen, was am ehesten auf das Einsetzen von (erfolgreicher) Emotionsregulation hinweist. Unsere Studien legen damit eindrücklich nahe, dass emotional erfolgreiches Altern mit einer Adaptation an altersspezifische Veränderungen und Herausforderungen sowohl auf Verhaltens- als auch neurobiologischer Ebene einhergeht. Dabei scheint der verstärkte Einsatz von Emotionsregulation eine entscheidende Rolle zu spielen, eine Funktion, die möglicherweise durch spezifische verhaltenstherapeutische Interventionen gestärkt werden kann. Die Publikationen in Science und Biological Psychiatrie wurden von internationalen Pressemitteilungen/-berichten begleitet (u.a. New York Times, Scientific American, Time Magazine, The Telegraph, French Tribune, Spiegel, Die Zeit, Deutschlandradio).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2010) The influence of directed covert attention on emotional face processing. Neuroimage 50(2): 545-551
Brassen S, Gamer M, Rose M, Büchel C
- (2011) Anterior cingulate activation is related to a positivity bias and emotional stability in successful aging. Biol Psychiatry, 70(2):131-7
Brassen S, Gamer M, Büchel C
- (2011) Ventral striatal changes represent missed opportunities and predict future choice. Neuroimage 57(3):1124-30
Büchel C, Brassen S, Yacubian J, Kalisch R, Sommer T
- (2012) Don't look back in anger! Responsiveness to missed chances in successful and nonsuccessful aging. Science 336(6081):612-4
Brassen S, Gamer M, Peters J, Gluth S, Büchel C
(Siehe online unter https://doi.org/10.1126/science.1217516)