Massenselektive Anionen-Photoelektronenspektroskopie an Schwefel-Wasserstoff-Verbindungen SxHy und schwach gebundenen Molekülkomplexen SxHy - M
Final Report Abstract
Photodetachment-Photoelektronenspektroskopie (PD-PES) wird heute eingesetzt, um die Solvatation von Elektronen oder chemischen Verbindungen in verschiedenen Solvent-Substanzen, wie Wasser, Ammoniak und anderen klassischen Lösungsmitteln, zu untersuchen. Bei den solvatisierten Molekülen kann es sich um atomare Anionen, große Biomoleküle oder auch mehrfach geladene Anionen handeln. Heute werden bereits Komplexe aus über 100 Molekülen mittels PD-PES untersucht. Man betrachtet diese Systeme als Vorläufer der flüssigen oder festen Phasen und versucht so die Ionen- Solvatation in molekularen Flüssigkeiten und die Ladungsträger-Lokalisation in molekularen Festkörpern zu verstehen. Mit PD-PES lassen sich aber auch instabile neutrale Spezies untersuchen, wie die Übergangszustände bimolekularer chemischer Reaktionen – z.B. von Protonentransfer-Reaktionen – oder die von unimolekularen Isomerisierungsreaktionen. Im nun abgeschlossenen DFG-Projekt wurden Moleküle und Molekülkomplexe der Zusammensetzung HxSy•(H2O)n (n = 0-3) mit PD-PES untersucht. Besonders Protonen-Transferreaktionen in kleineren Modellsystemen, aber auch in größeren mikrosolvatisierten Systemen waren Gegenstand dieser Arbeit. Ebenfalls untersucht wurden kleinere schwefelhaltige Moleküle, die bei verschiedenen industriellen Prozessen oder in der Atmosphärenchemie eine wichtige Rolle spielen. Da viele Reaktionen in Lösung ablaufen, ist ihre Mikrosolvatation und die hierdurch erfolgte Geometrieänderung der gelösten Moleküle interessant. Die Interpretation aller erhaltenen Spektren wurde durch die Berechnung der verschiedenen anionischen Isomere, die ja die Ausgangssubstanzen bei der PD- PES darstellen, unterstützt. Die Berechnung der neutralen Geometrien und ihrer Schwingungen war essentiell, um experimentelle Frequenzen durch Vergleich mit berechneten eindeutig einer bestimmten Schwingung im Molekül zuordnen zu können. Folgende Systeme wurden im Detail untersucht: HS•(H2S) / DS•(D2S) ist interessant, weil dieser Komplex als Modellsystem für die Proteinschädigung durch Cystein-SH-Radikale gilt. Zudem bietet HS•(H2S) Zugang zu den Übergangszuständen der Protonentransferreaktionen SH + H2S → [HSHSH]‡ → H2S + SH. Wegen ähnlicher Struktur des anionischen Komplexes und des neutralen Übergangszustands ist PD-PES hierfür sehr gut geeignet. HS•(H2S)•(H2O) und HS•(H2S)2 stellen als quasi-mikrosolvatisierte Protonentransferzustände in der Gasphase Modellsysteme für biochemische Reaktionen in Lösung dar. Damit sind Studien der energetischen Barrieren von Protonentransferreaktionen, die sich in Lösung drastisch ändern können, möglich. Isomere Strukturen im Spektrum wurden durch Berechnung der vertikalen Detachmentenergien und der Deformation des ursprünglichen HS¯•(H2S)-Kerns bei Anlagerung eines H2O- bzw. eines H2S-Moleküls erkannt. H2S2 und H2S2•(H2O)n (n = 1-3) sind von großer Bedeutung für das molekulare Wachstum des Schwefels in der Gasphase, die Thermolyse von H2S und die Sulfidierung von H2, bzw. die extreme Korrosion von Stahlpipelines bei der Förderung von H2S-reichem Erdgas (H2S2•(H2O)n-Komplex). Es wurde der erste angeregte Zustand (Triplettzustand) des H2S2-Moleküls erstmals spektroskopisch untersucht. Wegen seiner Bedeutung für die Photochemie des H2S2-Anions wurde auch PD-PES am HS¯•(H2O)-Komplex durchgeführt. HS2 und DS2 haben besondere Bedeutung für die Atmosphärenchemie der frühen Erde. Wegen der Isomerisierungsreaktion über das HS2-Radikal sind sie maßgeblich an Isotopen-Austauschreaktionen beteiligt. Im vorliegenden Projekt wurde erstmals Spektroskopie am Grund- und am ersten angeregten Zustand der reinen Substanz durchgeführt. Am I(H2O) gelang hochaufgelöste Photodetachment-ZEKE-Spektroskopie. Diese Arbeiten stellen Vorarbeiten für zukünftige hochaufgelöste PD-PES an Cl(H2O), Cl(H2S) und schließlich HxSy•(H2O)n dar: Dies stellt sich als besondere Herausforderung zukünftiger Experimente dar.