Untersuchungen zur späten Kupferzeit und frühen Bronzezeit (Karanovo VI - Cernavoda III) in Drama (Südostbulgarien)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die detaillierte Vorlage aller Funde und Befunde der Cernavodă-III-Siedlung am Südosthang von Merdžumekja kann zweifellos für längere Zeit Gültigkeit beanspruchen, denn es handelt sich um die erste größere analytische Arbeit dieser Art für Südbulgarien. Für die kulturelle Entwicklung Thrakiens im 4. Jahrtausend stellt die Siedlung trotz aller Schwierigkeiten bei der Interpretation im Einzelnen einen Fixpunkt dar. Obwohl in der jüngsten Vergangenheit Siedlungsreste gleicher Zeitstellung südlich der Stara Planina entdeckt wurden, dürfte es in Anbetracht des enormen Aufwandes bei der Auswertung großer Fundmassen schwierig sein, Vergleichbares in näherer Zukunft vorzulegen. Insgesamt hat man in der frühesten Bronzezeit mit einer völlig veränderten Siedlungsweise im Vergleich zur Spätkupferzeit zu rechnen, was den Nachweis von Siedlungen dieser Periode erheblich erschwert. Die größeren Zentralsiedlungen mit dichter Bebauung des 5. Jahrtausends wurden im frühen 4. Jahrtausend anscheinend von kleinen Siedlungen in der Nähe der vormaligen Siedlungshügel oder sogar weitab davon abgelöst. Wahrscheinlich ist damit auch ein erheblicher Bevölkerungsrückgang verbunden gewesen. Trotz dieser Schwierigkeiten wird man für die Zukunft mit immer mehr Nachweisen von Siedlungen im „kritischen“ 4. Jahrtausend auf der südlichen Balkanhalbinsel zu rechnen haben, wobei die stilistischen Merkmale der Artefaktproduktion im Badener Kulturmilieu verwurzelte Traditionen zu erkennen geben dürften. Warum das spätkupferzeitliche Kultursystem im späten 5. Jahrtausend erloschen ist, kann nach wie vor nicht schlüssig beantwortet werden. Ob im 4. Jahrtausend mit neuen Bevölkerungen zu rechnen ist, ist in Anbetracht des archäologischen Befundes in Drama eher zu verneinen. Zukünftige Forschungen müssten hier allerdings in besonderem Maße naturwissenschaftliche Daten heranziehen. In Anbetracht der Tatsache, dass in einem so umfangreichen Fundmaterial wie dem aus Drama vorgelegten kein einziger konkreter Hinweis auf „Steppenelemente“ zu fassen ist, wird es sehr unwahrscheinlich, dass es vor der Grubengrabkultur, für die ja in der jüngeren Vergangenheit auch an der unteren Tundža die Belege immer zahlreicher geworden sind, je eine prägende „Beeinflussung“ aus dieser Richtung in irgendeiner Weise gegeben hat. Damit dürfte auch eine seit Langem in der Fachliteratur verhandelte Theorie endgültig widerlegt worden sein.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Ein gynäkomorphes Gefäß der Cernavodÿ III-Kultur von Drama (Südostbulgarien). Studia Praehistorica 13, 2010, 243-265
R. Gleser
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Ausgewählte Kleinfunde aus Drama, Fundstelle "Merdžumekja-Südosthang". Typologie und stratigraphischer Kontext. In: H.-J. Beier (Hrsg.), Varia Neolithica VII. Beiträge zur Ur- und Frühgesch. Mitteleuropas 63 (Langenweißbach 2011) 105-146
M. Thomas / V. Becker
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Frühbronzezeitliche Lappengefäße aus Südostbulgarien. Studia Praehistorica 14, 2011, 333-356
M. Thomas
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Radiokarbondaten aus Drama: Stand der Forschungen bis zum Jahre 2010. Studia Praehistorica 14, 2011, 177-204
R. Gleser
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Späte Kupferzeit und Früheste Bronzezeit: Ergebnisse siedlungsarchäologischer Forschungen. Drama - Forschungen in einer Mikroregion Bd. 1 (Bonn 2012)
R. Gleser / M. Thomas
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Zur Problematik von Schichtenfolge und Fundverteilung am Fuße einer Tellsiedlung: Der Südosthang von Drama-Merdžumekja. In: Taphonomie. Sitzung der AG Neolithikum im Rahmen des WSVA, Nürnberg 26.5.-27.5.2010. Fokus Jungsteinzeit. Berichte der AG Neolithikum 3 (Kerpen-Loogh 2012) 107-126
M. Thomas / R. Gleser