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Dynamik und Flexibilität des Sprachproduktionssystems

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2008 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 82757437
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Zentrum dieses Projekts stand die Untersuchung der Dynamik und Flexibilität semantischer Verarbeitung in der Sprachproduktion. Dabei wurden neben Verhaltensdaten ereigniskorrelierte hirnelektrische Potentiale eingesetzt, um die elektrophysiologischen Korrelate und den Zeitverlauf semantischer Effekte zu beschreiben und in Bezug zu unterschiedlichen Stufen der Sprechplanung zu setzen. Damit leistet das Projekt einen Beitrag zur Klärung aktueller Kontroversen, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung semantischer Kontexteffekte. In Teil 1 wurden unterschiedliche semantische Beziehungen und Faktoren untersucht, um deren Einflüsse zu spezifizieren und mit den klassischen, durch einfache kategoriale Beziehungen erzeugten Effekten zu vergleichen. Speziell wurden die Effekte semantischer Nähe, thematisch-assoziativer Beziehungen und die botschafts-inhärente semantische Dichte und Reichhaltigkeit untersucht. Diese Experimente dienten unter anderem auch als weiterführende Tests des in der ersten Projektphase vorgeschlagene theoretische Erklärungsansatz für semantische Kontexteffekte unterschiedlicher Polarität (swinging lexical network (SLN). Im Einklang mit dem Modell wurden semantische Interferenzeffekte in der kontinuierlichen Benennungsaufgabe auch für assoziativ relatierte Objekte beobachtet. Semantische Interferenz ist demnach nicht auf kategorielle Relationen beschränkt, womit einer der Kritikpunkte an lexikalischen Konkurrenzmodellen ausgeräumt werden kann. Ursprünglich nicht vom SLN vorhergesagt, jedoch in Übereinstimmung mit den Befunden der ersten Projektphase waren die Effekte semantischer Nähe. Es zeigte sich ein größerer Interferenzeffekt für nah verwandte im Vergleich zu weiter entfernten Konzepten, vergleichbar mit den Befunden in der ersten Projektphase im Blocking- und Bild-Wort-Interferenzparadigma. Eine - wenn auch geringere – Anzahl stark aktiver Konkurrenten hat einen stärkeren Einfluss auf lexikalische Konkurrenz als viele schwächer aktivierte Konkurrenten. Weiterhin wurde ein zentraler, aber bislang kaum erforschter Aspekt der semantischen Verarbeitung in der Sprachproduktion untersucht: die Reichhaltigkeit und Vernetzung der konzeptuellen Repräsentationen, die lexikalisiert werden. Dies ist meines Wissens die erste Studie, die semantische Verarbeitung mit botschaftsinhärenten Manipulationen ohne Kontexte untersucht hat. Wir finden, dass semantische Reichhaltigkeit (die Menge assoziierter semantischer Eigenschaften) die Benennung erleichtert, während die Dichte der semantischen Nachbarschaft (Kohortenaktivierung) die Benennung im Sinne eines Interferenzeffektes erschwert. Dieses Muster entspricht den Vorhersagen lexikalischer Interferenzmodelle. Da keine Kontextstimuli präsentiert wurden, können nichtlexikalische Alternativerklärungen wie das Modell von Mahon et al. (2007) ausgeschlossen werden. In Teil 2 wurde eine über konkrete semantische Beziehungen hinausgehende Untersuchung dynamischer und flexibler Eigenschaften des Sprachproduktionssystems durchgeführt. Die Ergebnisse der ersten Projektphase haben gezeigt, dass lexikalische Ko-Aktivierung bzw. semantische Interferenz „on the fly“ durch eine kurzfristige Erzeugung semantischer Beziehungen induziert werden kann. Ziel der zweiten Phase war, weiterführend zu untersuchen, ob die Lexikalisierung bzw. die Ko-Aktivierung auf lexikalischer Ebene auch durch den kognitiven Verarbeitungsmodus, unabhängig von konkreten semantischen Beziehungen, moduliert werden kann. Umgesetzt wurde dies mittels eines durch die Präsentation von Wortspielen erzeugten „Ambiguitätsmodus“ der semantischen Verarbeitung. Dieser hatte einen Einfluss auf die nachfolgende Sprachproduktion in dem Sinne, dass bei der Benennung der Bilder von Homophonen nicht nur die präsentierte Bedeutung, sondern auch die semantisch unverbundene, nicht präsentierte Bedeutung koaktiviert wurde. Sowohl Verhaltensdaten als auch ereigniskorrelierte Potentiale zeigen eine Aktivierung von Mehrdeutigkeiten während der Sprechplanung und weisen Sprachproduktion als eine interaktive Komponente des kognitiven Systems aus. Perspektivisch ist mit diesen Arbeiten ein erster Schritt in Richtung der Untersuchung inhaltlich komplexer, ambivalenter Botschaften, wie sie in vielen rhetorischen Figuren, bei ironischen Äußerungen, bei der Produktion von Metaphern, bei Andeutungen usw. auftreten, gemacht.

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