Modellierung der formativen Verfestigung im Rahmen eines phänomenologischen Modells der thermoviskoplastizität bei endlichen Verzerrungen
Final Report Abstract
Zum Zeitpunkt der Antragstellung gab es im Wesentlichen Modelle, die entweder auf dem Substrukturkonzept oder auf polynomialen Fließbedingungen mit Materialtensoren bis zur sechsten Stufe basieren. Nur bei der Verwendung von Materialtensoren sechster Stufe gelingt es, die experimentellen Ergebnisse, sie bestehen u. a. darin, dass die Fließortkurve die größte Krümmung im Belastungspunkt besitzt, adäquat zu erfassen. Die Mängel dieser Modelle liegen in der großen Anzahl von Materialparametern, Problemen bei der Sicherung geschlossener und konvexer Fließflächen sowie größtenteils fehlenden Entwicklungsgleichungen für die inneren Variablen. Ein neuartiger Ansatz gelang S. Panhans. Sie modifizierte das bekannte Chaboche-Modell in thermodynamisch konsistenter Weise mit einer Fließbedingung, welche durch die Verallgemeinerung der Gleichung einer Pascalschen Schnecke erhalten wird. Zur Beschreibung der formativen Verfestigung wird lediglich ein Materialtensor zweiter Stufe benötigt. Trotz der erreichten Fortschritte ist auch dieses Modell mit Einschränkungen behaftet. Es handelt sich dabei um - die Entwicklung des Modells im Rahmen einer geometrisch linearen Theorie, - die Verwendung einer grenzkonvexen Fließfläche und - die sprunghafte Ausrichtung der Fließfläche bei unstetigen Belastungswegen. Das erste Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen betrifft das Ersetzen der sprunghaften durch eine kontinuierliche Ausrichtung der Fließfläche unter Beibehaltung der geometrisch linearen Theorie. Es entstanden die drei folgenden Ansätze: - konstanter formativer Verfestigungsgrad während der Ausrichtung der Fließfläche, - Ausrichtung der Fließfläche bei Änderung des formativen Verfestigungsgrades, - Einbeziehung des nichtassoziierten Fließens während der Ausrichtung. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden im Weiteren durch eine Kopplung der zwei Materialmodelle nach Panhans sowie Shutov/Kreißig auf endliche Deformationen übertragen. Das zunächst entwickelte rheologische Modell, welches direkt auf eine Fließortkurve in Form einer Pascalschen Schnecke führt, bildet die Grundlage für die Konstruktion eines thermodynamisch konsistenten Materialmodells mit isotroper, kinematischer und formativer Verfestigung bei weiterhin einfacher Gewährleistung der Konvexität der Fließfläche. Wie im Fall der geometrisch linearen Theorie wurden sowohl die Normalenregel als auch die sogenannte radiale Fließregel (nichtassoziiertes Fließen) umgesetzt. Durch die Sicherung der inelastischen Inkompressibilität verhält sich der Algorithmus zur Integration des Deformationsgesetzes robust und stabil. Der Test der Materialantwort erfolgte für vorgegebene Belastungswege und durch Auswertung von in der Literatur veröffentlichten experimentellen Ergebnissen. Den Abschluss der Untersuchungen bildete die Modifizierung des Modells zur Einbeziehung nichtisothermer Prozesse. Hier wurde der gleiche Weg wie bei der Weiterentwicklung des Materialmodells eingeschlagen, indem zunächst der Fall der geometrischen Linearität, erweitert um temperaturabhängige Materialparameter und die Wärmedehnung, betrachtet wurde. Zusätzlich erfolgte die Herleitung der Wärmeleitungsgleichung. Letztere entsteht aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, indem die innere Energie in konsistenter Weise durch entsprechende Anteile der freien Energie, aus denen das obige Materialmodell folgt, ersetzt wird. Weitere Arbeiten am Materialmodell erscheinen derzeit wenig sinnvoll, da experimentelle Ergebnisse z. B. zum Prozess der Umorientierung der Fließfläche bei zyklischen Vorgängen fehlen. An der eigenen Forschungseinrichtung lassen sich derartige Untersuchungen zur Zeit nicht durchführen, weil die dafür erforderliche experimentelle Ausstattung nicht vorhanden ist. Mögliche künftige Arbeiten betreffen - die Erweiterung des Modells durch Vergrößerung der Anzahl von Maxwell-Elementen zur genaueren Erfassung von kinematischer und formativer Verfestigung sowie die Verwendung nichtlinearer Multiplikatoren, - die Nutzung neuer Zugänge in der Materialtheorie (z. B. Konzept der repräsentativen Raumrichtungen) und - den Einsatz moderner Methoden der Parameteridentifikation zur sachgerechten Auswertung der Experimente. Das Materialmodell mit seinem derzeitigen Stand ist nutzbar für die Beschreibung des mechanischen Verhaltens metallischer Werkstoffe insbesondere bei solchen zyklischen Prozessen, wie sie in der inkrementellen Umformung auftreten. Wird das Materialmodell im Zusammenhang mit volumenerhaltenden Integrationsmethoden in kommerzielle oder Forschungssoftware eingebaut, besteht die Möglichkeit, inkrementelle Umformvorgänge genauer als bisher zu simulieren. Außerdem lässt sich der Lösungsweg, welcher bei der Entwicklung des vorliegenden Materialmodells eingeschlagen wurde, auch bei der Konstruktion anderer Materialmodelle nutzen.
Publications
- A phenomenological model for finite strain viscoplasticity with distortional hardening. ZAMM 91 (2011) 8, 653-680
Shutov, A. V.; Panhans, S.; Kreißig, R.
- Simulation of Distortional Hardening at finite Strain. A Rheological Model. The 17th International Symposium on Plasticity and Its Current Applications. Puerto Vallarta, Mexico, 3.-8. Januar 2011
Shutov, A. V.; Panhans, S.; Kreißig, R.; Ihlemann, J.