Die Erdbebengefährdung der Hagia Sophia in Istanbul - Verifizierung und Validierung numerischer Rechenmodelle für dynamische Beanspruchungen
Final Report Abstract
Das wesentliche Ziel des Projekts war die Erstellung eines numerischen Modells mit hoher Prognosequalität für dynamische Beanspruchungen der Hagia Sophia in Istanbul sowie der notwendigen Analyse hinsichtlich Standsicherheit. Das Bauwerk wurde im 6. Jahrhundert nahe der Nordanatolischen Falte in Istanbul erstellt und ist somit grundsätzlich durch ein größeres Erdbeben bedroht, wie auch mehrere Teileinstürze während der letzten Jahrhunderte dokumentieren. Direktes Resultat dieser Teileinstürze sind die im heutigen Kuppelbereich vorzufindenden Teilkuppeln aus den 6., 10. und 14. Jahrhunderten. Kernpunkt der Neuerungen ist ein digitales Modell basierend auf CAD Daten, aufbereitet von Forschungsstelle 1 und mit einer Volumenvernetzung für eine höhere Prognosequalität sowie einer hohen Flexibilität gegenüber Änderungen. Das Modell wurde mit einem kommerziellen Vernetzungsprogramm erstellt, das in einfacher Weise und mit wenig Zeitaufwand verbunden numerische Modelle für mehrere verschiedene kommerzielle Finite Elemente Pakete erstellen kann. Damit steht ein Modell zur Verfügung, das nicht abhängig ist von eventuell unzugänglichen Programmpaketen einzelner Forschungseinrichtungen. Der Modellierungsansatz und die gewählten Analysealgorithmen ermöglichen gezielt detaillierte Analysen der Gesamtstruktur, insbesondere im Hinblick auf die Standsicherheit bei Erbeben. Des Weiteren wurden Elementtechnologien verwendet, die für die hier auftretenden Phänomene verifiziert wurden. Auch die Netzqualität wurde anhand von geeigneten Indikatoren bestimmt. Das im Projekt entwickelte Modell berücksichtigt insbesondere die aktuellen Untersuchungen der Forschungsstelle 1 zum Baugefüge der Kuppelkonstruktion sowie Untersuchungen zu den materiellen Eigenschaften der Kuppel und Stützpfeiler. Ansonsten wird auf bereits bekannte Aufmaße der Geometrie und Materialuntersuchungen zurückgegriffen. Das in diesem Projekt entwickelte Modell der Hagia Sophia stellt insbesondere im Hinblick auf den geometrischen Detaillierungsgrad der Gesamtstruktur eine Erweiterung der bisherigen Modelle dar. Die Berücksichtigung detaillierter Geometrieaufnahmen für alle Substrukturen des Gebäudes erbringt aus mechanischer Sicht eine höhere Abbildungsgenauigkeit der realen Steifigkeitsverhältnisse der Gesamtstruktur. Zentral ist die durchgängige elementkonsistente Diskretisierung des Gesamtgebäudes mit allen Substrukturen mit Volumenelementen. Eine aus modelltechnischer Überlegung schwierige Modellierung durch Anbindung von Strukturelementen wie Balken und Schalenelemente an Kontinuumselemente, wie sie vereinzelt bei bisherigen Modellen angewandt wird, entfällt hier. Die Tragstrukturen wurden auch innerhalb des primären und sekundären Subsystems entsprechend ihrer eigentlichen Geometrie erstellt und sind somit in ihrer Funktionsweise als Tragstrukturteil näher an der im Bauwerk tatsächlich enthaltenen Struktur als Modelle, die lediglich das primäre Teilsystem enthalten, da dann sämtliche weiteren aussteifenden Tragglieder vernachlässigt werden. Es sei betont, dass die für eine mechanische Analyse mit hoher Prognosequalität wichtigen Kernparameter wie Steifigkeit und Masse der Strukturteile in den bisherigen Modellen nur rudimentär abgebildet wurden. Die Netze der Modelle können bei Bedarf zeiteffizient innerhalb des Vernetzers verfeinert werden. Damit können die Modelle beliebig neuen Untersuchungen zum Baugefüge wie auch zur materiellen Ausbildung angepasst werden, ohne hierfür eine komplette Neuvernetzung vorzunehmen. Weiterhin können wegen der modularen Erstellung des Simulationsmodells in dieser sehr flexiblen Vernetzungsumgebung auch Geometrieänderungen in einfacher Form berücksichtigt werden. In Kombination mit den gewählten Analysealgorithmen ist das Modell sowohl für lineare wie auch nichtlineare Analysen einsetzbar. Das verwendete FE-Programm bietet zudem sehr viele Modellierungsmethoden für Materialien wie auch Schnittstellen zum Einbau eigener Materialmodelle und Elementformulierungen. Auch die Einarbeitung eventueller bereits vorliegender Schädigungen ist möglich. Aus Sicht der Erhaltung kulturhistorischer Bauwerke und des behutsamen Umganges mit der Bausubstanz ermöglicht das gezielt aufgebaute Modell eine detaillierte Untersuchung zur Standsicherheit, um den für historische Bauwerke ungewollten Einsatz von Verstärkungsmaßnahmen möglichst zu vermeiden bzw. diese gezielt und bauwerksgerecht anzusetzen.