Der italienische Frühliberalismus und der Kulturtransfer aus Deutschland in den Anfängen des italienischen Risorgimento (1814-1833)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In dem Forschungsprojekt wurde erstmals die Kulturzeitschrift Biblioteca italiana, die seit 1816 über mehrere Jahrzehnte in Mailand erschien, zu einem Forschungsgegenstand eigenen Rechts erhoben und die Rolle des Kulturtransfers aus Deutschland in Mailand in neuem Licht betrachtet. In einer detaillierten Analyse wurde der Beitrag der Zeitschrift zum deutsch-italienischen Kulturtransfer, aber auch die Motivationen der Mitarbeiter, sich für die Vermittlung deutschsprachiger Kultur in der italienischen Zeitschrift einzusetzen, untersucht. Im Ergebnis konnte das bisherige Urteil über die Biblioteca italiana und die Funktion des deutsch-italienischen Kulturtransfers in der frühen Restaurationsepoche insgesamt erheblich revidiert werden. So zeigte sich, dass die Biblioteca italiana zwar durchaus der Herrschaftslegitimation der Habsburger in der Lombardei diente, aber gleichwohl nicht deren willfähriges Instrument war, sondern (zumindest zeitweise) durchaus eigene kultur- und sogar nationalpolitische Akzente zu setzen vermochte. Die Texte, die in der Zeitschrift aufgenommen wurden, sind im Rahmen des Projektes umfassend geprüft worden, wodurch jetzt erstmals ein Gesamtbild des Kulturtransfers in der Biblioteca italiana verfügbar ist. Aus der Untersuchung geht weiterhin hervor, dass Männer wie Acerbi und Zajotti auf ihre Art in der Lage waren, ein Netz von Beziehungen zu knüpfen, das sowohl aus mailändischen Literaten als auch aus hochgestellten Persönlichkeiten, die im deutschen Raum aktiv waren, bestand und dass diese für einen mehrstimmigen Dialog über die Zusammenhänge von Literatur und Gesellschaft in Anspruch genommen werden konnten. Dabei sind eindrucksvolle biographische Profile gelungen, die deutlich machen, warum sich die Funktionäre, die zugleich auch Intellektuelle waren, für die Biblioteca italiana engagierten. Ausschlaggebend dürfte eine wohl auch für andere politische Tendenzen nicht ungewöhnliche Kombination von Karrierestreben und politischem wie kulturellem Engagement gewesen sein. Schließlich zeigt die Arbeit, dass die Thesen der neueren Risorgimento-Forschung wie vor allem jene, dass es einen verbindlichen Zusammenhang zwischen Romantik, Liberalismus und Nationalismus gebe, nicht unhinterfragt bleiben dürfen: Durch die Studie wird vielmehr deutlich, dass auch in Italien romantische Stimmungen innerhalb kultureller Umfelder vorhanden waren, die nicht als patriotisch beschrieben werden können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Herrschaftslegitimation und Kulturtransfer in der habsburgischen Lombardei. Die Zeitschrift› Biblioteca italiana‹ und die deutsche Kultur (1815–1830). Frankfurt a.M., 2017, 398 S.
Mirjam Neusius