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Mediennutzung als Zeitallokation. Entwicklung eines medienübergreifenden Verhaltensmodells der Medienauswahl

Subject Area Communication Sciences
Term from 2008 to 2011
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 70591749
 
Final Report Year 2010

Final Report Abstract

Das Projekt verfolgte zwei Kernziele um Defizite in der kommunikationswissenschaftlichen Rezipientenforschung zur Medienauswahl zu überwinden: Erstens sollte ein theoretisches Erklärungsmodell der (1) intermediären Auswahl von Medieninhalten entwickelt werden, das (2) sowohl kurzfristig als auch langfristig wirksame Einflussfaktoren auf die Auswahlentscheidung berücksichtigt. Zweitens sollte dieses Modell durch Spezifizierung eines entsprechenden Strukturgleichungsmodells empirisch getestet werden. Mithilfe der Modellschätzung auf Basis von Datensätzen der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation (LMK) für 1995, 2000 und 2005, die durch Daten der Media Analyse (MA) aus den gleichen Jahren validiert wurden, lassen sich zudem quantitative Aussagen zum jeweiligen Grad der Zeitabhängigkeit der Nutzung tagesaktueller Medien und zur Stärke der Substitutionsbeziehungen zwischen Mediennutzungsaktivitäten und nicht-medialen Aktivitäten sowie zwischen den verschiedenen tagesaktuellen Medien machen. Die theoretische Grundlage für das Erklärungsmodell basiert auf der mikroökonomischen Konsumtheorie, die bei den Einflussfaktoren auf Nachfrageentscheidungen zwischen langfristig stabilen Präferenzen (individuellen Rangordnungen für verschiedene Konsumgüter) und kurzfristig veränderlichen Handlungsrestriktionen (insbesondere das verfügbare Konsumbudget) trennt. Die Übertragung dieses Modells auf die Allokation von Zeit auf alternative Tätigkeiten kann mathematisch als Komponentenzerlegung beschrieben werden. Die Nutzung eines bestimmten Mediums „i" in einem bestimmten Zeitraum (MNi) entspricht der präferenzabhängigen durchschnittlichen Nutzung dieses Mediums (∆MNi) und einer bestimmten positiven oder negativen Abweichung (∆MNi), welche primär durch Variationen in den Zeitrestriktionen (Zeitverfügbarkeiten) verursacht wird [MNi = dMNi + ∆MNi, dMNi = f (Präferenz); ∆MNi = f(Zeitrestriktion)]. Die Ergebnisse der Modellschätzungen sprechen bei der Operationalisierung von Zeitrestriktionen für eine Differenzierung der Zeitarten Arbeitszeit, Freizeit und Reproduktionszeit (notwendige Aktivitäten wie Körperpflege, Essen zu Hause, Hausarbeit, Einkäufe etc.). Die durch die Modellschätzungen gewonnenen empirischen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Der Einfluss der verfügbaren Freizeitmenge auf die Nutzungsdauer steigt mit dem Unterhaltungsfunktion der Mediengattung. Dabei hat sich die Zeitabhängigkeit der TV-Nutzung zwischen 1995 und 2005 deutlich erhöht. (2) Der Einfluss des Umfangs der Reproduktionszeit auf die Nutzungsdauer sinkt mit dem Grad der erforderlichen Aufmerksamkeit, dabei hat sich die Zeitabhängigkeit der TV- und Hörfunknutzung zwischen 1995 und 2005 signifikant erhöht. (3) Eine Mehrgruppen-Kausalanalyse zwischen Gruppen, die sich in Alter, formaler Bildung und der Stellung im Beruf unterscheiden, zeigt deutliche Unterschiede in der Zeitabhängigkeit der Nutzung aller tagesaktuellen Medien. (4) Zwischen 1995 und 2005 hat die Verbreitung des „neuen Mediums" Internet zu einer signifikanten Reduzierung der Präferenzen für Fernsehen, Hörfunk und Tageszeitung in der Freizeit geführt. (5) Die verschiedenen tagesaktuellen Medien konkurrierten 2005 in der Freizeit jedoch deutlich stärker mit nicht-medialen Aktivitäten als untereinander. Dies kann als Beleg für die These einer funktionalen Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Mediengattungen betrachtet werden. Methodische Einschränkungen der Projektergebnisse ergeben sich dadurch, dass für die Modellschätzung nur Daten auf der Basis von Tagesablaufinterviews zur Verfügung standen. Für das Messmodell der latenten Variable Medienpräferenz können nur die Nutzungsrelationen am Erhebungstag als Indikatorvariablen verwendet werden. Dies ist auf aggregierter Ebene vertretbar. Auf individueller Ebene ist jedoch davon auszugehen, dass es jeweils Abweichungen zur durchschnittlichen Aktivitätsstruktur gibt. Wochenverlaufsdaten aus Tagebuchaufzeichnungen wären deshalb für die Weiterentwicklung des Modells geeigneter.

Publications

  • (2008): Die Rolle von Zeitbudgets bei der Herausbildung von Mediennutzungsmustern. Symposium des Hans-Bredow-Instituts „Die Rolle von Zeitbudgets sozialer Milieus für die Herausbildung von Medienrepertoires" am 11.9.2008 in Hamburg
    Seufert, Wolfgang
  • (2010): Mediennutzung und Zeitverfügbarkeit. Jahrestagung der Fachgruppe Rezeptions- und Wirkungsforschung in der DGPuK am 30.1.2010 in Berlin
    Wilhelm, Claudia / Seufert, Wolfgang
  • (2010): Medienpräferenzen und Zeitrestriktionen als Determinanten der Mediennutzung. MFLZ-Workshop „Mediatisierung der Gesellschaft? Mediensoziologische Forschung in vergleichender Perspektive " am 19.11.2010 in Köln
    Wilhelm, Claudia / Seufert, Wolfgang
  • (2010): The Impact of Time Availability on Media Use. EMMA Annual Conference 2010 - Panel "Audiences, user behavior and market research" am 6.2.2010 in London
    Wilhelm, Claudia / Seufert, Wolfgang
 
 

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