Prävalenz, Ausprägungsgrad und Ätiologie von (Molaren-Inzisiven-)Hypomineralisationen des Zahnschmelzes in der bleibenden Dentition
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist die zweit-häufigste Erkrankung der Zähne im Kindes- und Jugendalter und wird als systemisch bedingte Strukturstörung des Zahnschmelzes definiert. Die gewonnenen Daten aus den untersuchten GINIplus- bzw. LISAplus-Kohorten dokumentierten eine Prävalenz der MIH nach EAPD Definition von 14,7% bzw. 16,3% im Alter von 10 Jahren. Wird neben der Hypomineralisation eines ersten bleibenden Molaren auch das gleichzeitige Auftreten an Inzisiven berücksichtigt, lag die Häufigkeit betroffener Kinder in den beiden zuvor genannten Populationen etwas niedriger bei 9,4% bzw. 8,0%. Ein wesentliches Augenmerk unserer Arbeiten lag im Bereich der Eingrenzung möglicher Ursachen für die MIH, da diese nach wie vor als ungeklärt anzusehen sind und damit wirksame präventive Handlungsstrategien gegenwärtig nicht möglich sind. Anhand der umfangreichen, eigenen Untersuchungen konnte als einziger ätiologischer Faktor das Auftreten von Atemwegserkrankungen in den ersten vier Lebensjahren mit dem späteren Phänotyp der MIH an bleibenden Molaren und Inzisiven signifikant in Verbindung gebracht werden. Als Ursache ist allerdings weniger die Erkrankung an sich, sondern vielmehr die Medikation zu diskutieren. Darüber hinaus wurden vielfältige Faktoren überprüft, welche von anderen Studiengruppen als potenziell MIH-verursachend betrachtet worden waren. Dazu gehörten u.a. der sozio-ökonomische Status, das Stillverhalten, die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) oder genetische Determinaten. Letztgenannte bleibt anhand unser eigenen statistischen Auswertungen festzuhalten, dass diese Variablen offensichtlich ohne signifikanten Einfluss in der Münchner Population sind. Aus methodischer Sicht ist als Alleinstellungsmerkmal der Studie hervorzuheben, dass prospektiv gesammelte medizinische Daten aus der frühkindlichen Lebensphase, welche dem Lebensabschnitt entspricht in welchem die Zahnentwicklung bzw. die Mineralisation des Zahnschmelzes von statten geht, zur Verfügung stehen. Dies ist nach unserem Kenntnisstand weltweit einmalig und kann nur durch die Initiation einer prospektiv geplanten Geburtskohorte qualitativ übertroffen werden, welche von Beginn an auch eine zahnärztliche Untersuchung mitführt. Auch die hohe Fallzahl der Kohorte (10-Jahresuntersuchung GINI = 693, LISA= 465; 15-Jahresuntersuchung GINI = 856, LISA = 446) rundet die Qualität der vorliegenden Studie mit ab. Letztlich signalisiert der gegenwärtige Wissensstand zukünftigen Forschungsbedarf, welcher die bisherigen Nachteile bei 1) der klinischen Bestimmung des Phänotyps auszugleichen, 2) das Verteilungsmuster bei den jetzt 15 Jährigen zu analysieren und 3) nochmals in den Kontext mit den potenziell, verursachenden Faktoren zu setzen ist.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Diagnostik der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation. Quintessenz 62 (2011) 1559-1563
Heitmüller D., Hickel R., Kühnisch J.
- Prävalenz und Ausprägungsgrad von Molaren - Inzisiven-Hypomineralisationen – Ergebnisse eines systematischen Literaturüberblicks. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 33 (2011) 26-32
Kühnisch J., Mach D., Hickel R.
- Strukturstörungen des Zahnschmelzes und des Dentins – Teil 1: Grundlagen, Terminologie, Diagnostik und Klassifikation. Quintessenz 62 (2011) 7- 17
Kühnisch J., Mach D., Bücher K., Manhart J., Van Waes H., Hickel R., Heinrich-Weltzien R.
- Strukturstörungen des Zahnschmelzes und des Dentins – Teil 2: Klinisches Erscheinungsbild. Quintessenz 62 (2011) 171-186
Kühnisch J., Mach D., Bücher K., Manhart J., Van Waes H., Hickel R., Heinrich- Weltzien R.
- Two German Birth Cohorts: GINIplus and LISAplus. Bundesgesundheitsbl 55 (2012) 864-874
Heinrich J., Brüske I., Schnappinger M., Standl M., Flexeder C., Thiering E., Tischer C., Tiesler C.M., Kohlböck G., Wenig C.M., Bauer C.P., Schaaf B., von Berg A., Berdel D., Krämer U., Cramer C., Lehmann I., Herbarth O., Behrendt H., Ring J., Kühnisch J., Koletzko S.
- GIN Iplus study group and LISAplus study group: Is there a relationship between hyperactivity/inattention symptoms and poor oral health? Results from the GINIplus and LISAplus study. Clin Oral Invest 17 (2013) 1329-1338
Kohlboeck G., Mach D., Neumann C., Tiesler C., Heinrich J., Heinrich -Weltzien R., Hickel R., Koletzko S., Herbarth O., Kühnisch J.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00784-012-0829-7) - Is there a positive relationship between Molar -Incisor-Hypomineralisations and the presence of dental caries. Int J Paediatr Dent 23 (2013) 116-124
Heitmüller D., Thiering E., Hoffmann U., Heinrich J., Manton D., Kühnisch J., Neumann C., Bauer C.P., Heinrich-Weltzien R., Hickel R., and the GINIplus Study Group
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/j.1365-263X.2012.01233.x) - Elevated serum 25(OH)-vitamin D levels are negatively correlated with MIH. J Dent Res (2014) [Epub ahead of print]
Kühnisch J., Thiering E., Kratzsch J., Heinrich-Weltzien R., Hickel R., Heinrich J. for the GINI-10 plus study group and LISA-10 plus study group
(Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0022034514561657) - Genome-wide association study for molar incisor hypomineralization (MIH). Clin Oral Invest 18 (2014) 677-682
Kühnisch J., Thiering E., Heitmüller D., Tiesler CMT, Grallert H, Heinrich -Weltzien R., Hickel R., Heinrich J. for the GINI-10 plus study group and LISA-10 plus study group
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00784-013-1054-8) - Proportions and extent of manifestation of Molar-Incisor- Hypomineralisations according to different phenotypes. J Public Health Dent 74 (2014) 42-49
Kühnisch J., Heitmüller D., Thiering E., Brockow I., Hoffmann U., Neumann C., Heinrich-Weltzien R., Bauer CP, von Berg A, Koletzko S., Garcia -Godoy F., Hickel R., Heinrich J.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/j.1752-7325.2012.00365.x) - Respiratory diseases are associated with Molar-Incisor-Hypomineralisations – results from a long-term prospective cohort study. Swiss Dental J 124 (2014) 286-293
Kühnisch J., Heitmüller D., Thiering E., Brockow I., Hoffmann U., Neumann C., Heinrich-Weltzien R., Bauer C.P., Berdel D., von Berg A., Koletzko S., Garcia - Godoy F., Hickel R., Heinrich J. and the GINI plus 10 study group