Project Details
Wohlfahrtsgesellschaft und Wohlfahrtsstaat. Bürgerliche Sozialreform und weltfare state building in den USA und in Deutschland 1880-1940
Applicant
Professor Dr. Marcus Gräser
Subject Area
Modern and Contemporary History
Term
from 2007 to 2009
Project identifier
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 59409458
Der Text nimmt einige wesentliche, von der Forschung bisher kaum zusammenhängend bearbeitete Bereiche zum Thema: die Frage nach dem Einfluss des Bürgertums auf Entstehung und Entwicklung der Wohlfahrtsstaaten, den Zusammenhang zwischen Fürsorge (in der Gestalt des persönlichen Verkehrs) und der Konstituierung des Bürgertums als sozialer Klasse, schließlich die Interaktion von Stadt und Staat im Prozess der Herausbildung der Wohlfahrtsstaaten. Der Zentralstaat als regulierende und/oder institutionenbauende Instanz im welfare state building ist nur denkbar als Reaktion auf die kommunale Politik der 'Wohlfahrtsstadt': Der Wohlfahrtsstaat wuchs von den Kommunen her, und die Dialektik aus kommunaler und staatlicher Intervention bestimmte sein Wachstum. Im 'Säurebad' des transatlantischen Vergleichs lassen sich Gewicht und Funktion der Bürgerlichen Sozialreform und der Städte im Prozeß des welfare state building auf eine Weise bestimmen, die zu einer neuen Erklärung der unterschiedlichen Wege zur Wohlfahrtsstaatlichkeit und hier vor allem der unterschiedlichen Gewichtung zwischen einer 'Wohlfahrtsgesellschaft' der privaten Fürsorge und einem Wohlfahrtsstaat der öffentlichen Verantwortung in den USA und in Deutschland beiträgt. Das Wechselspiel von intellektueller Reflexion, praktischer Wohltätigkeit und kommunaler Sozialpolitik in zwei Fällen - Frankfurt am Main und Chicago - sowie der Vergleich der beiden Organisationen der kommunalen Sozialreformer, des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit und der National Conference of Charities and Correction bilden dabei den 'pragmatischen' Kern des Manuskriptes. Unter Verweis auf einen latenten Zielkonflikt zwischen Wohlfahrtsgesellschaft und Wohlfahrtsstaat und die Asynchronie der beiden Länder nicht nur in der Herausbildung des Wohlfahrtsstaates, sondern auch in der Etablierung der Demokratie, wird räsoniert, ob ein schlüssiger Nexus zwischen Demokratisierung und Wohlfahrtsstaat besteht. Davon nicht zu trennen ist eine Betrachtung über die Modernität der Wohlfahrtspolitik in ihrer Zeit. Der Spannungszustand zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft, den das intellektuelle Gefüge der deutschen Wohlfahrtspolitik bereithielt, führte dazu, dass 'Gemeinschaft' aus Fürsorge und Klientel oft als Opposition zur problembeladenen 'Gesellschaft' verstanden wurde und folglich nur mit dem Rücken zu ihr Bestand haben konnte. Eine solche Dichotomisierung aber war den Protagonisten der amerikanischen Wohlfahrtsgesellschaft fremd gewesen. Für sie war Gemeinschaft nur in Gesellschaft denkbar, folglich musste Fürsorge als Instrument so modern sein, wie die Gesellschaft, die ihre Klientel bedürftig werden ließ. Die Modernität des wohlfahrtspolitischen Instrumentariums aber bot noch keine Garantie für eine materiell ausreichende Versorgung der Klientel.
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