Warum gibt es (keine) Global Economic Governance? Der Einfluss von Interessen und Normen bei der Gestaltung neuer Regeln für die Weltwirtschaft
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Globalisierung bringt nicht nur neue Chancen auf Wohlstand, sondern auch neue Risiken für die Steuerung der Weltwirtschaft. Finanzkrisen in Asien, Argentinien und Mexiko sowie Handelskonflikte zwischen Industrieländern und Schwellenländem aber auch zwischen Europa und den USA verdeutlichen die neuen Herausforderungen. Die Notwendigkeit einer besseren Global Economic Governance wird gerade auch von den Regierungen der Industrieländer anerkannt. Trotzdem kommt es nur teilweise zu neuer Global Economic Governance: Während nach langen Verhandlungen zwar neue Standards für Banken im Basel II Abkommen vereinbart wurden, konnte keine Einigung über eine Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) als Hüter der globalen Finanzmarktstabilität erreicht werden. Auch eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) gelang nicht und die aktuellen Verhandlungen in der sogenannten WTO-Entwicklungsrunde von Doha sind sogar zum Stillstand gekommen. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wurden in den letzten zwei Jahren am Lehrstuhl für Internationale Politik der Ruhr-Universität Bochum die Ursachen der Unterschiede nationaler Positionen zu Global Governance erforscht. Damit konnte ein Beitrag zur Beantwortung der Frage geleistet werden, warum sich Staaten in einigen Fällen auf neue Global Governance einigen können, in anderen dagegen nicht. Unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan A. Schirm überprüfte das Projekt-Team mit Maren Becker und Stefanie John die These, dass Regierungspositionen zu Global Economic Governance aufgrund unterschiedlicher interner gesellschaftlicher Interessen und Normen divergieren. Die Fragen nach der Art der materiellen Interessen von Lobbygruppen und der Form gesellschaftlicher Normen und Werte zu politischen und Ökonomischen Fragen standen dabei im Mittelpunkt. Besonders aufschlussreich war die Untersuchung der Bedingungen unter denen entweder ideelle Normen oder aber materielle Interessen die Positionen der jeweiligen Regierung zu neuer Global Economic Governance prägten. Fallbeispiele waren dabei die Entstehung nationaler Positionen zur Reform des IWF, zu den Bankenstandards in Basel II und zur WTO in Deutschland und den USA. Im Ergebnis konnte das Projekt zeigen, dass Interessen und Normen innerhalb der Länder die nationalen Positionen in erster Linie bestimmten und nicht Globalisierungsdruck oder internationale Organisationen. Gesellschaftliche Normen orientieren sich zwar an transnationalen Entwicklungen wie Globalisierung, unterscheiden sich aber nach wie vor signifikant auch zwischen Ländern, die stark in die Weltwirtschaft integriert sind, wie zwischen Deutschland und die USA. Materielle Interessen hatten einen stärkeren Einftuss auf Regierungspositionen zu Global Economic Governance als ideelle Normen, wenn Interessengruppen spezifisch betroffen waren, wie etwa bei den Bankenstandards in Basel II. Bei der Reform des IWF dominierten dagegen unterschiedliche Normen zwischen den USA und Deutschland etwa zur Solidarität mit Entwicklungsländern bzw. deren EigenVerantwortung und zum Vertrauen in Marktkräfte. Im Projekt konnte nachgewiesen werden, dass endogene Interessen und Normen auch im Zeitalter starker internationaler Organisationen und weltwirtschaftlicher Globalisierung divergieren können, Regierungspositionen stark prägen und somit die Chancen für neue Governance beeinflussen.