Der Shashmaqam in Buchara/Usbekistan
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die sechs komplexen instrumentalen und vokalen Zyklen des Shashmaqam entstanden in jahrhunderte langer mündlicher Überlieferung in Buchara, einem multi-ethnischen und multi-kulturellen Zentrum Mittelasiens. Da die Grundlagen dieser großen Musiktradition in sowjetischer Zeit deformiert und zerstört wurden, ist sie heute kaum noch lebendig. Ari Babakhanov, der heute 76jährige Enkel des legendären Sängers (Levi Babakhan) am Hofe der letzten Emire von Buchara ist offenbar der letzte Kenner der gesamten Überlieferung. Er hat im Verlauf des Forschungsprojektes aus vorgefertigten Notizen und aus dem Gedächtnis 335 Einzelteile des Shashmaqam mit Gedichttexten von 73 Dichtern aus sieben Jahrhunderten in persischer und tschaghataischer Sprache niedergeschrieben. Es handelt sich um die erste neu verfasste Niederschrift des Shashmaqam nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Sie orientiert sich an der alten höfischen Tradition, hat die sowjetischen Deformierungen beseitigt und enthält ca. 100 Einzelteile mehr als bisherige Notationen. Sie ist eine Fundgrube für Musiker, Sänger, Komponisten und Musikwissenschaftler in Mittelasien und weltweit und kann helfen, diese vom Untergang bedrohte, zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende große alte Tradition zu bewahren und bekannt zu machen. Die Notenedition ist die Grundlage für die systematische musikwissenschaftliche Erforschung des Shashmaqam. Darüber hinaus wurden die einer langen Sufi-Tradition entstammenden Gedichttexte des gesamten Repertoires erstmalig vollständig in eine westeuropäische Sprache übersetzt. Die bis heute nicht aufgearbeitete Geschichte der Überlieferung und Deformierung des Shashmaqam in der Sowjetzeit wurde durch Auswertung früher sowjetischer Quellen und durch zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen aufgehellt. Durch die Analyse der musikalischen Struktur und der musikalischen Termini und durch das Studium von unveröffentlichten Texthandschriften des 18./19. Jh. konnte die Entstehung des Shashmaqam aus der Kombination von zwei verschiedenen Genres des 14.-16.Jh. geklärt werden: aus der musikalischen Aufführungsfolge („naubat al-murattab“) und der systematischen Zusammenstellung aller bekannten Tongruppen und Rhythmen („kulliyat“). Dieser Prozess ging vom 17. Jahrhundert an einher mit einer Wandlung der Funktion dieses komplexen Genres: von der höfischen Darbietungsmusik (majlis) zum spirituellen Hören (sama’) im Rahmen der höfischen und städtischen Zuhörerschaft. Dabei spielte die zyklische Aufführungsweise eine große Rolle, um deren Erkenntnis und Wirkung es bei der Analyse vorrangig geht. Die eigentliche Überraschung war, dass unter der Leitung von Ari Babakhanov eine Musik lebendig wurde, die - kraftvoll und zart zugleich - wie die Musik Johann Sebastian Bachs würdevoller Ausdruck der Schönheit und Tragik der menschlichen Existenz und damit zeitlos und grenzenlos und ist. Es dient der Erforschung einer fast unbekannten orientalischen Hochkultur und Erhaltung des Weltkulturerbes und sollte deshalb fortgesetzt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Ari Babakhanov – Meister des šašmaqām, in: Simurgh – Zeitschrift des Zentrums für Europäische und Orientalische Kultur, Heft 2, 2006
Jung, Angelika
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Ari Babakhanov – Bucharer Jude und Vertreter einer multikulturellen Identität aus Zentralasien in Deutschland. In: Kulturelle Identitäten in der Musik der Gegenwart, hrsg. von Jörn-Peter Hiekel und Marion Demuth, Saarbrücken 2010. S. 124-134
Jung, Angelika
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Der Shashmaqam aus Buchara – überliefert von den alten Meistern, notiert von Ari Babakhanov, 486 S., 2 CDs, Berlin 2010
Angelika Jung