Erstedition und kritische Studie hagiographischer Texte der Sankara-Tradition: Sankara-Hagiographien im Kontext von Klostertraditionen und mündlichen Überlieferungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In Zentrum des Projekts stehen eine Hagiographie, Acaryadigvijaya des Vallisahaya, sowie weitere Texte und Überlieferungen aus dem Umfeld des sogenannten „nördlichen Traditionsklosters" der monastischen Tradition, die sich auf den mittelalterlichen Philosophen-Heiligen Sankara beruft. Die Äbte dieser Klöster, sog. Sankaracaryas, verstehen sich heute als Repräsentanten der Hindu-Orthodoxie und sind sehr einflussreich in der indischen Öffentiichkeit. Im ersten Arbeitsbereich des Projekts wird die Hagiographie erstmals ediert und kritisch untersucht sowie literaturgeschichtlich und historisch eingeordnet. Der Text der Hagiographie umfasst gedruckt 82 Seiten, die Übersetzung (Stand 4. Kapitel) sowie Materialien dazu steht augenblicklich bei 130 Seiten. Hinzu kommen Indices von 8 Seiten. Nach Abschluss der Arbeiten werden Text und Studie unter dem Titel „Materialien zur Sankara-Tradition II: Das Acaryadig\'ijayakavya" beim LIT Verlag veröffentlicht werden. Der zweite Arbeitsbereich des Projekts steht mit der aktuellen Problematik des nördlichen Traditionsklosters in Zusammenhang: Es gibt drei Klöster und darrüt drei Sankaracaryas, die den Anspruch erheben, das nördliche „Traditionskloster" zu repräsentieren bzw. Sankaras legitime Nachfolger als Wahrer der nördlichen Tradition zu sein. Es wurde eine Monographie mit dem Titel „Materialien zur Sankara Tradition I: Umkampfter Thron: Macht und Legitimation in der Nachfolge Sankaras" verfasst (ca, 100 S.), die kurz vor dem Abschluss steht und ebenfalls beim LIT Verlag erscheinen wird. Im Zentrum der Monographie steht u,a. das Mathanmaya-Mahanusasana (MM), das den Trägem der Tradition als „Verfassung" gilt und eine immense Rolle bei der Legitimierung der konkurrierenden Sankaracaryas spielt. Die Untersuchung stützte sich auch auf Gespräche und Interviews mit Klosterrepräsentanten sowie weitere schriftliche Materialien. Den Großteil der Legitimitäts-Quellen, auf den sich die Stieitparteien berufen, kaim man in Max Wet>ers Begrifflichkeit als charismatisch und traditional charakterisieren, im Gegensatz zu einer modemen legal-rational begründeten Legitimität oder einer „Legitimation durch Verfahren" (Niklas Luhmann), wie sie im vorliegenden Fall nur durch das Gerichtsurteil gegeben ist. Interessant ist eine Tendenz, die man als eine Abwendung von den ausschließlich traditional-charismatischoi Legitimitätsquellen hin zum legal-rationalen Verfahren des GerichtsurteUs deuten kann. Die traditional fundierten, wenn man so will oralen Strategien alleine haben sich nicht als zielführend erwiesen. Darin liegt auch die starke Hervorhebung des MM als schriftlich niedergelegte, verbindliche Verfassung begründet, obwohl der Text unterschiedlich ausgelegt werden kann und somit als Entscheidungsgrundlage untauglich ist. Erstaunlich dabei ist aber, dass vor der legal-rationalen Instanz des Gerichts mit eben denselben traditionalen Legitimitäts-Quellen argumentiert wird. Im Grunde handelt es sich nicht nur um den „Kampf um den Sankaracarya-Thron" mit verschiedenen Mitteln der Legitimierung sondem um einem „Kampf um das legitime Prinzip der Legitimation" (Pierre Bourdieu). Der „Umkämpfte Thron" kann auch als ein soziales Feld im Sinne Pierre Bourdieus gesehen werden, das durch die Konstellation der Akteure geschaffen wird. Im diesem Positionierungskampf bringen die Akteure verschiedene Kapitalsorten (z.B. Kulturelles Kapital, Sozialkapital) ein, die letztendlich über ihre Platzierung im sozialen Raum entscheiden.