Modellhafte Kopplung der Strömungs- und Wärmeübertragungsvorgänge bei der Kühlung von Schlauchfolien mit der Beschreibung des Verstreckvorganges auf der Basis eines rheologischen Prozessmodells
Final Report Abstract
Ziel dieses Forschungsprojektes war die Entwicklung eines kalibrierbaren Simulationsmodells zur Abbildung und Vorhersage realer Prozesszustände bei der Blasfolienextrusion. Innerhalb des beantragten Bearbeitungszeitraums konnte solch ein Berechnungsmodell realisiert werden. Dieses Modell vereinigt zwei miteinander gekoppelte Simulationsmodule. Hierbei wird zum einen eine CFD-Simulationsumgebung und zum anderen ein auf Basis von Pearson und Petrie entwickelter mathematischer Ansatz zur Folienkonturbeschreibung genutzt. Mithilfe der CFD-Analyse werden im Wesentlichen die Strömungs- sowie Abkühlvorgänge in Abhängigkeit der Blasengeometrie und des verwendeten Kühlluftführungssystems berechnet. Diese Ergebnisdatensätze stellen die Eingangsgrößen des Konturberechnungsmodells dar. Das verwendete Konturberechnungsmodell basiert auf einer mechanischen Zustandsgleichung nach Pearson und Petrie, die einen Zusammenhang zwischen den richtungsabhängigen Spannungen in der Folie und dem Druckprofil auf der Folienoberfläche aufstellt. Zudem wird der Foliendickenverlauf als weitere Größe in die Berechnung miteinbezogen. Die Beschreibung der rheologischen Spannungszustände in der Folie erfolgt mittels eines erweiterten Materialmodells nach Phan-Thien und Tanner. Dieses rheologische Ersatzmodell ist in der Lage mithilfe eines hier entwickelten mathematischen Ansatzes die richtungsabhängigen Viskositäten während des biaxialen Verstreckvorgangs zu beschreiben. Allein aufgrund dieser anisotropen Beschreibung des Materialverhaltens konnte eine gravierende Verbesserung der Abbildungsgüte, der hier untersuchten Prozesszustände realisiert werden. Eine wesentliche Anforderung an das Simulationsprogramm war die Realisierung einer universellen Einsetzbarkeit dieses Modells, um die Grundlage einer industriellen Anwendung zu schaffen. Hierdurch soll es möglich werden, Kühlsysteme virtuell bewerten und optimieren zu können. Dies konnte durch eine Kalibrierung des Modells an realen Prozesszuständen realisiert werden. Als Kalibrierparameter wurden die nicht direkt zugänglichen rheologischen Materialkenngrößen wie Viskosität und Relaxationszeit des Polymers gewählt. Die Messung dieser rheologischen Materialeigenschaften für den hier zu beschreibenden Dehnprozess gestaltet sich schwierig bzw. ist unmöglich. Bisher existiert kein Messverfahren, welches es erlaubt biaxial, dehnungsrichtungs- sowie dehnungsgeschwindigkeitsabhängig rheologische Daten aufzuzeichnen. Diese Messungen müssen dazu noch temperaturabhängig erfolgen. Selbst wenn ein solches Messsystem bestehen würde, müsste dennoch die Charakterisierung der Materialeigenschaften betriebszustandsspezifisch erfolgen. Dies liegt begründet in der Orientierung der Polymerketten, die sich durch die biaxiale Verstreckung der Schlauchfolie für jeden Prozesszustand unterschiedlich einstellt. Somit ist die hier vorgestellte Kalibrierung der Materialparameter anhand von experimentell aufgezeichneter Konturverläufe, die einzige Möglichkeit repräsentative Daten für einen Schlauchfolienprozess zu generieren. In diesem Projekt ist es zum ersten Mal gelungen, unter Zuhilfenahme der Kalibrierung des Materialmodells einen vollständigen Versuchsraum numerisch abzubilden. Dabei beinhaltete der Versuchsraum unterschiedliche Aufblasverhältnisse (2 bis 3) bei variierender Folienenddicke (50 bis 125 µm) und einem maximal möglichen Kühlluftvolumenstrom, der in Abhängigkeit der Stabilitätsgrenze der Schlauchfolie gewählt wurde. Die Simulationsergebnisse zeigten, dass der hier entwickelte Ansatz zur Berechnung und Vorhersage bekannter Zustände eine gute bis sehr gute Übereinstimmung mit experimentell erfassten Konturverläufen besitzt. Insbesondere konnte der Venturi-Effekt bzw. das „Ansaugen“ der Folie an die Kühlluftführung mithilfe des Konturberechnungsmodells und der CFD-Simulation erstmals dargestellt werden. Des Weiteren erfolgte in einer zweiten Erprobungsphase des Berechnungsmodells die Überprüfung der Vorhersagefähigkeit iterativ zu bestimmender Prozesszustände. Durch dieses so umgesetzte Konturberechnungsmodell ist es zum ersten Mal möglich, sich frei einstellende Blasfolienkonturen zu berechnen. Untersucht wurde die iterative Berechnung eines bekannten Zustands, um den Nachweis zu führen, dass quasistationäre Zustände erhalten bleiben. Ausgehend von diesem Konturverlauf wurde im Folgenden schrittweise ein beliebiger Prozesszustand des Versuchsraums berechnet. Innerhalb dieses Raums ist es gelungen, ausgehend von einem Initialisierungszustand eine unbekannte Kontur nahezu exakt abzubilden. Darüber hinaus konnte an einem erweiterten Kühlluftführungssystem nachgewiesen werden, dass das Prozessmodell auf geänderte Luftführungsgeometrien der Realität entsprechend reagiert. Hierbei ist eine wesentliche Beeinflussung des Konturverlaufs durch das verwendete Druckprofil gut zu erkennen. So gelingt es auch hier, das durch den Venturi-Effekt hervorgerufene „Ansaugen“ der Schlauchfolie an die Kühlluftführung korrekt darzustellen. Erste Untersuchungen des Modells hinsichtlich des generellen Abbildungsvermögens zeigen eine bemerkenswert gute Abbildungsgüte experimentell ermittelter Prozesszustände. Darüber hinaus konnte eine sehr gute Stabilität der einzelnen Iterationsrechnungen beobachtet werden. Auf die gesamten Untersuchungen bezogen zeigen die Ergebnisse der ersten Erprobungen das vorhandene Potenzial dieses iterativen Berechnungsmodells zur Folienkonturbestimmung. Künftige Forschungsarbeiten sollen sich in erster Linie mit einer weiterführenden Validierung des hier hervorgebrachten Simulationsmodells auseinandersetzen, um eine Allgemeingültigkeit des Modells nachzuweisen. Hierzu sind in einem ersten Arbeitsschritt Untersuchungen an der Technikumanlage mit einem anderen Polymer durchzuführen, das im Vergleich zu dem Material, das innerhalb dieses Bearbeitungszeitraum genutzt wurde, eine grundlegend andere Blasenkontur besitzt. Weiter ist eine Erhöhung des Massendurchsatzes zu realisieren, die zu einer Erweiterung des Kalibrierraums um eine Dimension führt. Die Resultate dieser ausgedehnten Validierung können zu einer weiterführenden Verbesserung des Modells genutzt werden. Als weiterer Arbeitsschritt ist der Einsatz dieses Modells zur Entwicklung eines Simulationstools mit Bezug auf eine automatische Kühlsystemoptimierung sinnvoll. Dieses Tool soll durch wenige Vorgaben, wie Materialeigenschaften und maximal mögliche zulässige Gestaltveränderung der Kühlluftführungsgeometrie, selbstständig ein optimiertes Kühlsystem generieren. Die Umsetzung dieser iterativen Kühlsystemuntersuchung ist maßgeblich daran gekoppelt, dass das hier entwickelte Berechnungsmodell zur Beschreibung eines Blasfolienzustands die Fähigkeit besitzt, vollkommen unbekannte Zustände korrekt vorhersagen zu können. Hierbei spielt insbesondere eine realistische Abbildung der Wechselwirkung des aus der CFD-Analyse resultierenden Druckverlaufs auf die Blasfolienkontur eine wesentliche Rolle. Vorstellbar ist die Kühlsystemoptimierung in einer übergeordneten Iterationsschleife zu nutzen und über Bewertungskriterien zu steuern. Das aus der Optimierung resultierende Kühlsystem ist in einer anschließenden Untersuchung experimentell an der Technikumanlage zu verifizieren, um einerseits die Leistungsfähigkeit der Kühlluftführung und anderseits die Vorhersagequalität des Optimierungswerkzeugs zu überprüfen. Solch ein mächtiges Simulationswerkzug könnte es erstmals ermöglichen, einen richtungweisenden Schritt zu machen, um eine virtuelle Erprobung und Optimierung von neuen Kühlsystemen zu realisieren. Darüber hinaus kann es einen entscheidenden Beitrag bei der Entwicklung gänzlich neuer Kühlsysteme darstellen. So ist denkbar, dass vor dem Hintergrund maximierter Kühlleistung Geometrien und Konzepte gefunden werden, die nicht unmittelbar als optimal ersichtlich sind.
Publications
- Beitrag zur PPS-Jahrestagung in Banff Kanada Juli 2010 “A calibrated integrative Simulation Model for Blown Film Extrusion”