Verzeitlichung oder Verstetigung von Armut im ländlichen Raum Ostvorpommerns? Eine Paneluntersuchung zum ALG II - differenziert nach Kohorten und Generationen?
Final Report Abstract
Armutsentwicklung als sozialer Prozess kann längst nicht mehr ausschließlich über Einkommensanalysen, die Höhe der Leistungsbezüge oder die Wahmehmung von Armut und Prekarität untersucht werden. Die Ansätze der dynamischen Armutsforschung aufgreifend, müssen vielmehr konkrete sozialräumliche Kontexte (Region, Landkreis, Amtsbereich) sowie verschiedene Ebenen von Zeitlichkeit (Verläufe des Leistungsbezugs, Lebenszeit der Familiengenerationen und Zeit der longue durée) einbezogen werden. Für unser Forschungsvorhaben zur Armutsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommem bildeten zwei empirische Zugänge die Grundlage einer komplexen Datenbasis: a) Sozialamtsakten/Datenbank zum Hartz-IV-Leistungsbezug für den Zeitraum von 1990 bis 2004/2008 (Vollerhebung eines Amtsbereiches; N = 560/1415) b) biographische Daten über drei Familiengenerationen (systematische Auswahl des Samples; 33 Gespräche inkl. Folgeinterviews). Ergänzt wurde die Datenbasis sowohl durch aggregierte statistische Daten in Zeitreihen sowie durch qualitative Daten aus Expertengesprächen, die sich zu verschiedenen Zeitpunkten der Forschung als notwendig erwiesen. Die quantitativen und qualitativen Daten wurden zunächst in zwei getrennten Arbeitspfaden analysiert und dann die Befunde gemeinsam interpretiert: 1. Bei der Untersuchung der Verlaufsmuster des Sozialhilfebezuges bestätigten sich auch für den ländlichen Raum in Nordostdeulschland die Befunde, die dynamische Armutsforschung in urbanen Kontexten (Bremen und Halle/Saale) erbracht hat. Durchschnittlich verblieben die Empfänger/innen von Hilfe zum Lebensunterhalt (HLu) 7 Monate im Leistungsbezug. Knapp zwei Drittel (62 %) von ihnen durchlebten innerhalb von drei Jahren eine einzige Sozialhilfe-Episode, die in 26 % dieser Fälle mindestens ein Jahr (= 12 Monate) andauerte. 2. In den qualitativen Analysen konnten Tradierungen und Zäsurierungen des Umgangs mit Armut oder Prekarität in/zwischen drei Familiengenerationen herausgearbeitet werden, die auf langfristig wirksamen ländlichen Orientierungsmustern beruhen. Sie verweisen sowohl auf eine Verräumlichung von Armut in Form einer stationären Lebensführung als auch auf eine Abhängigkeit von undurchschaubaren äußeren Strukturen, die als Schicksalsorientierung bezeichnet werden kann. 3. Die aggregierten statistischen Daten und die Analysen zum Hartz-IV-Leistungsbezug stützen die These einer Verstetigung der Armutsentwicklung im Untersuchungsraum und entkräften Annahmen, die von einer Verzeitlichung der Armut ausgehen. So sind 70 % aller Personen, die Leistungen nach den gesetzlichen Regelungen für modeme Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erhalten, Langzeitbezieher, d.h. sie erhalten mindestens 17 der durch unseren Beobachtungszeitraum definierten möglichen 20 Monate Leistungen. Von ihnen sind 8 von 10 während des gesamten Untersuchungszeitraums unimterbrochen im Leistungsbezug, was ebenfalls auf eine Verfestigung prekärer Lebenslagen schließen lässt. 4. Erweitern wir den Interpretationsrahmen in sozialhistorischer Perspektive, so zeigen sich in Ostvorpommem emstzunehmende Verarmungsprozesse in Teilen der Bevölkerung. Trotz nivellierter Sozialstrukturen und eines relativ beschränkten Produktions- und Konsumtionsniveaus hatten sich die Lebensverhältnisse nach 1945 auch für die ländliche Bevölkerung grundlegend verbessert und dem in der DDR üblichen Standard angeglichen. Soziale Abstiegsprozesse, Statusverluste und finanzielle Mangellagen, die schätzungsweise ein Viertel der ostdeutschen Bevölkerung betreffen, waren als existenzielle Veränderungen im Zuge der Transformation nach 1990 so nicht erwartet worden. Inzwischen finden sich in unserem Untersuchungsfeld sowohl alle elementaren Formen der Armut (integrierte, marginal isierte, disqualifizierende) als auch deutliche Anzeichen einer Kultur der Armut.
Publications
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Aug 05, Torun, Intergenerational relations in (social) science
Vera Sparschuh
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Dez 05, Bonn, Projektvorstellung Armutsdynamik in der Sektion Land- und Agrarsoziologie, Projektvorstellung
Vera Sparschuh
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Nov 05, Jena, Zur Erosion der DDR-Gesellschaft aus generationssoziologischer Perspektive, Tagung Sfb 580
Vera Sparschuh
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Nov 05, Neubrandenburg, Ländliche Armut als Herausforderung, Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung Land in Sicht an der FH Neubrandenburg
Doris Rentzsch, Vera Sparschuh
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(2006): Zur Erosion der DDR-Gesellschaft aus generationensoziologischer Perspektive: Drei Generationsgestalten der nach 1945 geborenen 'Kinder der DDR' in ihrer Beziehung zur 'Aufbaugeneration'. In: Bürget, Tanja (Hg.): Generationen in den Umbrüchen postkommunistischer Gesellschaften. SFB-580-Mitteilungen Nr.20/2006, S. 113-126
Sparschuh, Vera
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Dez 06, Chemnitz, Generationendynamik im Alltag: zur Tradierung von Familienkulturen im ländlichen Raum - Vortrag am Institut für Soziologie, Vortrag am Institut für Soziologie
Vera Sparschuh
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Jun 06, Jena, „Transformation ohne Ende - Vortrag „Armutserfahrungen im ostdeutschen Raum", Vortrag
Vera Sparschuh
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Mai 06, Fulda, Projektvorstellung an der Hochschule Fulda, Projektvorstellung am Fachbereich Pflege und Gesundheit
Simone Kreher, Olaf Jürgens, Vera Sparschuh
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Mrz06 Tutzing. Vortrag und Tagungsleitung der DGS-Osteuropasektionstagung: Karl Mannheims Aufsatz zum Problem der Generationen - werkgeschichtliche und theoretische Dimensionen Werk, Wirkung und Bedeutung für die Osteuropaforschung
Vera Sparschuh
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Nov 06, Jena, Vortrag und Vorstellung eines Familienfalls, Sfb 580
Vera Sparschuh
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(2007): Erster Bericht zum Forschungsprojekt "Armutsdynamik im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommems". Fulda, Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit
Kreher, Simone / Sparschuh, Vera / Jürgens, Olaf
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Apr 07, Passau, Aufdem Land und im Norden - soziale Ungleichheit aus räumlicher Perspektive, Vortrag auf der Arbeitstagung „Soziale Ungleichheit in der erweiterten Europäischen Union" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Vera Sparschuh
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Dez 07, Fulda, Prekäre Lebenslagen in Ostdeutschland: Raum und Zeit in verschiedenen Dimensionen denken, Projektvorstellung und Diskussion im Masterstudiengang Public Health an der HS Fulda
Simone Kreher, Susanne Niemz
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Feb 07, Fulda, Workshop „Sozialhilfemuster und Armutserfahrungen im ländlichen Raum", Workshop
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Jul 07, Anklam, Präsentation und Diskussion der Zwischenergebnisse des Projektes im Sozialausschuss des Landkreises Ostvorpommerns, Projektvorstellung und Diskussion
Simone Kreher, Olaf Jürgens, Vera Sparschuh
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Jun 07, Bielefeld, Gesundheitliche Ungleichheit und Armutslagen bei Familien im ländlichen Raum, Vortrag auf der 2. Internationalen Fachtagung: „Health Inequalities. Determinanten und Mechanismen gesundheitlicher Ungleichheit" an der Universität Bielefeld
Simone Kreher, Silvia Heckenhahn
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Jun 07, Erlangen, Milieus und Zeithorizonte - ein Beitrag zur Transformationsgeschichte im ländlichen Raum Ostvorpommems, Vortrag am Institut für Soziologie der Universität Erlangen-Nürnberg
Vera Sparschuh
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Mrz07, Fulda/Berlin, Beitrag in einer Radiosendung, Deutschlandradio Kultur, Radiobeitrag
Simone Kreher, Olaf Jürgens, Vera Sparschuh
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Okt 07, Berlin, Prekäre Lebenslagen in Ostdeutschland: Raum und Zeit in verschiedenen Dimensionen denken, Vortrag im Rahmen der Anhörung der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag: Ostdeutschland. Die alte Frage nach den neuen Chancen
Simone Kreher, Susanne Niemz
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Sep 07, Anklam, Präsentation und Diskussion der Zwischenergebnisse des Projektes mit Verantwortlichen des Landkreises Ostvorpommerns, Projektvorstellung und Diskussion
Simone Kreher, Olaf Jürgens, Vera Sparschuh
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(2008): Auf dem Land und im Norden - ländliche Peripherie als Armutsregion? In: Bach, Maurizio / Sterbling, Anton (Hrsg.): Soziale Ungleichheit in der erweiterten EU, Hamburg: Krämer Verlag, S. 173-194
Sparschuh, Vera
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(2008): Die Traditionen des 'traditionslosen Milieus' - Schicksalsorientierung in Ostvorpommem, Sozialwissenschaftliches Journal 6, S. 43-61
Sparschuh, Vera
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(2008): Prekäre Lebenslagen in Nordostdeutschland - Raum und Zeit in verschiedenen Dimensionen denken. Ausführlicher Projektbericht. Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit
Simone Kreher / Susanne Niemz
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(2008): Strukturelle Beschreibung der im Projekt erhobenen und verwendeten Datenbasen. Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit
Susanne Niemz
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Jul 08, Greifswald, kulturradio vom rbb, Radio-Interview
Simone Kreher
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Jul 08, Greifswald, »Leutenot« und »Not der Leute«. Lebensverhältnisse im ländlichen Raum Nordostdeutschlands, Konferenz des Projektes in Kooperation mit dem Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg
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Mai 08, Neubrandenburg, NDR-Sendung „Nordmagazin", TV-Interview
Vera Sparschuh
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Okt 08, 34. DGS Kongress in Jena, Armut, Armutsdynamiken und Lebensführung in Zeiten der Transformationen, Plenarbeitrag im Plenum 9 "Die Zeit(en) der Transformation"
Simone Kreher, Susanne Niemz