Erlösung ohne Einlösung. Untersuchungen zu den höfischen Ritterromanen von Chrétien de Troyes
Final Report Abstract
Das Projekt besteht in einer monographischen Studie zum altfranzösischen Autor Chrestien de Troyes, dem Gattungssfifter der Artus-Dichtung. Die Arbeit untersucht die Ritterepik Chrestiens vor dem Hintergrund eines politischen Umbruchs im 12. Jahrhundert, näherhin des herrschaftlichen Strukturwandels vom Feudalkönigtum zur souveränen Monarchie. Dieser Wandel äußert sich diskursgeschichtlich in der Herausbildung der politischen Theologie als einer Herrschaftslehre, vermittels deren die Macht des Königs vom Feudalrecht losgelöst und transzendental legitimiert wird. Damit einhergehend zeichnet sich die Formation eines neuen Herrschaftsmodells ab, bei der der feudale Personenverband durch das Machtmonopol des souveränen Herrschers abgelöst wird. Aus dieser Warte betrachtet stehen nun Herrschaft und christliche Zeit für Chrestien seinerseits in einem ambivalenten Wechselverhältnis. Er erzählt die Ablösung des Personenverbandes und die Herausbildung des neuen Subjekts der Herrschaft in drei unterschiedlichen Zeitmodellen, die wiederum je drei unterschiedliche Bewertungsparameter implizieren. Die der Bibelexegese entliehene Typologie verleiht dem doppelten Kursus von Erec eine gleichsam heilsgeschichtliche Dignität. Die zyklische Gegenzeit in Yvain weist über die typologische Erfüllung des Alten im Neuen hinaus, während die Figur des Aufhalters bereits eine apokalyptische Zeitdimension erkennen läßt. Diese apokalyptische Zeit ist dabei mit einer Aufhebung der Unterscheidung von Legitimität und Illegitimität verschwistert; denn wo Erec noch ein legitimer Thronfolger war, ist Yvain ein gewaltsamer Eroberer, der selbst neuen Eroberungen standzuhalten hat. Diese Bewegung kulminiert in Lancelot. In der Figur des Ehebrecherhelden werden die gegensätzlichen Momente von Restitution und Transgression eingeführt, so daß die Wiederherstellung der alten Ordnung immer schon mit einer Errichtung der neuen Ordnung überblendet ist. Die Konkomitanz von Alt und Neu hat ihre Entsprechung in der hermeneutischen Krise, die der Text auf seiner Symbolebene ausstellt. Diese Krise ist ihrerseits zeichenhaft für den politischen Wandel, der in nichts geringerem als in einer Umstrukturierung der symbolischen Ordnung besteht.