Familiennamenatlas: Sprach- und kulturwissenschaftliche Untersuchungen des Familiennamenbestandes in Deutschland
Final Report Abstract
Die vor 600-800 Jahren entstandenen Familiennamen sind, vor allem auch in ihrer räumlichen Verbreitung, eine hervorragende Quelle für verschiedenste Wissenschaften von der Linguistik bis zur Genetik. Gerade die Verbreitung der Familiennamen war bisher aber nicht nur in Deutschland, sondern überall nur für Einzelfälle, nirgends in ihrer Gesamtstruktur erfasst. Ihre Aufdeckung ist in der BRD nur anhand von Telefon-Festnetzanschlüssen möglich. Diese wurden auf dem Stand vom 30. Juni 2005, als noch 92% aller Haushalte einen Telekom-Festnetzanschluss hatten, in anonymisierter Form (Familienname, Anzahl pro Postleitzahlbezirk) für wissenschaftliche Zwecke erworben und archiviert. Die Datenbank enthält 1.095.991 verschiedene Namen, davon 245.330 Bindestrich-Doppelnamen. Damit gelang es im letzten Moment, ein einzigartiges Kulturerbe zu sichern, das mittlerweile wegen der Zunahme nicht lokalisierbarer Mobilanschlüsse und aufgrund konkurrierender Telefonanbieter unwiederbringlich verloren wäre. Das Projekt ergänzt die Reihe monumentaler Atlaswerke wie „Deutscher Sprachatlas“, „Deutscher Wortatlas“ usw. um einen Atlas zum umfangreichsten Bereich des Wortschatzes, den Familiennamen. Es ist weltweit der erste Versuch, den Familiennamenbestand eines Landes in seiner statistischen Dimension und seiner räumlichen Struktur umfassend zu erheben, systematisch zu konturieren und anhand repräsentativer Beispiele in Form kommentierter Karten zu dokumentieren. Dabei zeigte sich, dass die historisch gewachsenen Namenräume erstaunlich stabil erhalten sind, trotz aller Mobilität der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund heben sich umso deutlicher die Befunde ab, die durch Migrationsschübe vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert verursacht sind. Dem DFA geht es nicht um die Verbreitung einzelner Namen, sondern erstens um die Aufdeckung einzelner namengeographischer Oppositionen und der Diffusion von Varianten („Einzelkarten“: Dahms, Dahmen, Dahm), zweitens um die systematische Einordung der aufgedeckten Einzelphänomene in thematische Zusammenhänge („Kartenkomplexe“: schwacher Genitiv in Patronymen), drittens um die Konturierung der grundlegenden Strukturen des Namenschatzes. („Kapitel“: Genitiv in Familiennamen). Eine systematische Heuristik kartierenswerter Phänomene war überraschend ergiebig. Generell entwickelte sich das Projekt von der Verifizierung erwartbarer Befunde weg zunehmend hin zur Entdeckung unerwarteter Ergebnisse. Daher mussten die ursprüngliche Planung von vier Bänden mit ca. 970 Karten auf sechs Bände (plus Registerband) mit 2245 Karten und der Forschungszeitraum von ursprünglich sieben auf zehn Jahre erweitert werden mussten. Damit konnte das Ziel erreicht und die zentralen Aspekte der räumlichen Variation der deutschen Familiennamen umfassend erschlossen und dokumentiert werden, jedenfalls in ihren großräumigen Dimensionen. Der grammatische Teil (Bd. 1-3) gilt sprachgeographischen Phänomenen (-hofer, -höfer) in den Bereichen Graphematik, Phonematik und Morphematik. Der lexikalische Teil (Bd. 3-6) ist nach den Sachbereichen geordnet, aus denen die Vergabe der Namen motiviert ist, nach Berufen, persönlichen Merkmalen, Herkunft, Wohnstätte und Rufnamen. Bezüglich der drei Letzteren werden erstmals die Beziehungen zwischen der Toponymie bzw. dem Rufnameninventar eines Landes und seinem Familiennamenbestand systematisch aufgewiesen. Vom DFA gingen und gehen Impulse aus einerseits zur Erfassung regionaler Namenprofile und zur Erstellung kleinräumiger Atlanten (Rheinland-Pfalz, Oberösterreich, Luxemburg), andererseits für die europäische Namenforschung, ferner für die Geographie anderer Namenklassen (Gasthausnamen; Vornamen). Weitere Arbeiten erwiesen sein Erklärungspotential insbesondere für die Sprachgeschichte und Dialektologie sowie den Status einen Grundlagenwerkes für die Bevölkerungs-, Sozial-, Wirtschafts- Kultur-und- Mentalitätsgeschichte.
Publications
- (2007): Der Deutsche Familiennamenatlas (DFA). Konzept, Konturen, Kartenbeispiele. In: Beiträge zur Namenforschung 42/2, S. 125-172
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- (2010): Die Entstehung des s-Plurals bei Eigennamen als Reanalyse vom Kasus- zum Numerusmarker. Evidenzen aus der deutschen und niederländischen Dialektologie. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 77/2, 145-182
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Bochenek, Christian et al.
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Dräger, Kathrin
- (2015): Der Deutsche Familiennamenatlas (DFA). Grundprobleme, Lösungsstrategien, Erfahrungen. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 82/1, S. 1-25
Dräger, Kathrin/Kunze, Konrad
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Dräger, Kathrin
(See online at https://doi.org/10.1515/9783110424508) - Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 7: Index. Literaturverzeichnis, 2017
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(See online at https://doi.org/10.1515/9783110611922-004)