Axonale Lenkung in substratgebundenen Gradienten
Final Report Abstract
Die retinotektale Projektion ist ein Modell zur Erforschung der Mechanismen embryogenetischer axonaler Lenkung. Dabei projizieren Millionen retinaler Ganglienzellen nachbarschaftstreu in das Mittelhirn (topographische Projektion). Der Mapping-Mechanismus ist zugleich präzise und außerordentlich robust gegen massive Störungen, wie z.B. Halb-Ablationen. Vor Beginn unserer Arbeit war bekannt, dass bei der Projektion entlang der anterior/posterior-Achse das ephrin-A/EphA- System axonaler Lenkungsmoleküle eine zentrale Rolle spielt. EphAs und ephrin-As sind entlang dieser Achse auf Retina und Tektum jeweils gegengradiert verteilt und weisen bidirektionale Signaltransduktion auf (Ligand > Rezeptor: forward (fwd), Rezeptor > Ligand: reverse (rev)). Beide Signale wirken repulsiv auf retinale Wachstumskegel. Es existieren attenuierende cis Interaktionen auf demselben Wachstumskegel und Faser/Faser (FF)-Wechselwirkungen bis dahin unbekannter molekularer Natur. Ein kohärentes Modell fehlte. Versuche die Topographie-Ausbildung mit reinem ephrin-A oder EphA in vitro zu rekonstituieren, waren unbefriedigend verlaufen. Beispielsweise reagierten nur temporale Axone auf ephrin-A. Dies ist zwar topographisch differenziell, aber weder topographisch korrekt (nasale Axone sollten nicht unresponsiv sein) noch topographisch gradiert. Während der ersten Förderphase haben wir mit Hilfe von Explantat-Assays und hochpräzisen durch microcontact printing strukturierten Gradienten das Verhalten retinaler Axone auf ephrin-A-Gradienten quantifiziert. Temporale Axone reagierten verschieden auf verschiedene Gradienten, aber alle Temporalen gleich und Nasale gar nicht. Zudem hing der Stopppunkt zwar von der lokalen Konzentration ab, war aber von starken Adaptationseffekten beeinflusst. Wir vermuteten deshalb ein tiefergehendes Problem beim Verständnis des Lenkungsmechanismus. In der zweiten Förderphase wollten wir einerseits durch Kombination von Computer-Modellierung und in vitro Validierungsexperimenten den Lenkungsprozess konzeptionell besser verstehen und andererseits Prinzipien und Mechanismen der überraschenden Adaptationsfähigkeit der topographischen Wachstumskegel erhellen. Zuerst fanden wir, dass fwd wie auch rev Signale nur monoton monofunktionell wirken und deshalb je alleine nicht hinreichen, um ein Potentialminimum am Zielort zu erzeugen. Mit Hilfe neuartiger double cue Streifen-Assays gelang es, durch simultane Aktivierung beider Signalwege erstmals topographisch richtiges Entscheidungsverhalten in vitro auszulösen. Deshalb entwickelten wir ein Modell, das sich ausschließlich auf alle theoretisch möglichen Signalwege des ephrin/Eph-Signaling stützt. Dabei exploriert der Wachstumskegel das Zielgebiet solange bis totales forward und reverse Sigaling in der Balance sind. Dieses Modell erklärt topographische Kartierung und Streifen-Assay- Resultate, aber nicht die außerordentliche Robustheit. In vitro fanden wir, dass die Fasern auch untereinander mittels des ephrin-A/EphA-Systems interagieren. Erst die Implementation derartiger FF-Wechselwirkungen, ergibt die Robustheit und ein kohärentes Modell, das alle wichtigen experimentellen in vivo und in vitro Resultate reproduziert. Hieraus lässt sich das neue Konzept der FF-Chemoaffinität ableiten, die topographisches Mapping stärker zu dominieren scheint als klassische Faser/Target-Chemoaffinität. Bezüglich der Adaptation zeigten wir, dass die retinalen Wachstumskegel gegen fwd und rev Signale gleichermaßen adaptieren können. Hierzu entwickelten wir neuartige Lücken-Assays und neue Methoden für eine erfolgreiche Oberflächenstrukturierung des EphA3-Proteins. Mittels Simulation schlossen wir auf die Existenz eines Mechanismus, bei dem die Antennen für fwd und rev Signale strikt gekoppelt moduliert werden, selbst wenn nur ein Signal anliegt, um Adaptation und topographische Richtigkeit zu vereinbaren. Mit double cue Lückenassays bewiesen wir diese neuartige Co-adaptation und ihre Spezifität für das ephrin-A/EphA-System. Wir vermuten, dass sie benötigt wird, um die Sensitivität des Wachstumskegels nach Maßgabe von Signalen auf dem Weg zu adjustieren (z.B. bei der Invasion des Zielgebietes über eine steile EphA-Schwelle). Allgemeiner ergibt dies ein neues Verdrahtungsprinzip zwischen genetischem hardwiring und Verdrahtung durch synaptische Plastizität, das wir hardwiring plasticity nennen. Pharmakologische in vitro Experimente belegten, dass Adaptation weder auf Clathrin-abhängiger Endozytose noch auf Proteinbiosynthese beruht. Allerdings scheint ein Tyrosin-Dephosphorylierungsschritt beteiligt zu sein, der jedoch nicht im primären Signalweg der EphA-Rezeptortyrosinkinase liegt. Nach Entwicklung neuer Methoden zur Erhöhung der Transfektionseffizienz von Retina-Explantaten konnten wir mit Hilfe eines rekombinaten SNAP-Tags als Sensor für Proteinoberflächendynamik zeigen, dass die Co-adaptation auf Desensitivierung durch Endozytose und auf Resensitisierung wahrscheinlich durch Exozytose aus dem recycling endosome beruht. Dies beweisen wir gegenwärtig abschließend experimentell.
Publications
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