Theorie des kritischen Casimir-Effektes: von idealisierten Modellen zu realen Systemen
Final Report Abstract
Ziel dieses Forschungsprojekt war die Untersuchung der effektiven Kräfte, die durch langwellige niederenergetische Schwankungen in kondensierter Materie, welche sich in der Nähe eines kritischen oder multikritischen Punktes befindet, zwischen makroskopischen Berandungen, Wänden oder in ihr befindlichen makroskopischen Körpern erzeugt werden. Solche fluktuationsinduzierten Kräfte werden thermodynamische Casimirkräfte genannt. Sie sind mit den durch quantenelektrodynamischen (QED) Grundzustandsfluktuationen des elektromagnetischen Feldes zwischen metallischen, geerdeten Platten im Vakuum erzeugten Casimirkräften vergleichbar, unterscheiden sich aber in wichtigen Aspekten. Ein wichtiger Unterschied ist, dass erstere durch klassische thermische Fluktuationen statt durch quantale erzeugt werden. Damit einher geht ein zweiter wichtiger Unterschied: Während das elektrische Feld um den Mittelwert Null schwankt, gibt es bei thermodynamischen Casimirkräften auch die Möglichkeit, dass die relevante Dichte (Ordnungsparameterdichte) einen nicht verschwindenden Mittelwert hat, um den sie schwankt. Ein dritter wichtiger Unterschied ist, dass die richtige Beschreibung thermodynamischer Casimirkräfte an kritischen und multikritischen Punkten (wie dem im Projekt betrachteten Lifschitzpunkt) die Verwendung wechselwirkender Theorien erfordert. Die universellen Aspekte der Casimirakräfte der QED lassen sich dagegen in der Regel im Rahmen von effektiven freien (Gauß-)Theorien erklären, bei denen die Wechselwirkung mit Materie über Randbedingungen eingeht. Systematische umfassende Theorien thermodynamischer Casimirkräfte stellen große Herausforderungen dar, da Kombinationen unterschiedlichster Schwierigkeiten zu bewältigen sind, die von der Modellkonstruktion bis zur richtigen Beschreibung des kritischen Verhaltens makroskopischer Systeme, von Rand- und Systemgrößeneffekte bei kritischem Verhalten, Inhomogenitäten der Systeme, der Änderung ihrer effektiven Dimension ( Dimensions-Crossover“), ihres richtigen Tieftemperaturverhaltens und ggf. von Goldstonemoden reichen. Das Hauptaugenmerk wurde im Projekt auf die sorgfältige Ableitung und Bestimmung der universellen (nicht materalspezifischen) Eigenschaften solcher thermodynamischen Kräfte gelegt. Materialspezifische Eigenschaften lassen sich in Form von nichtuniversellen (zu identifizierenden) Konstanten absorbieren. Als Untersuchungsmethoden wurden vorrangig moderne feldtheoretische Renormierungsgruppenmethoden, die größtenteils auf Entwicklungen um Dimensionen beruhten, oberhalb deren kritische Fluktuationen harmlos werden, verwendet. Diese wurden qualitativ und quantitativ erweitert und ihre Grenzen ermittelt. Darüber hinaus wurden für eine Modellklassse (mit unendlicher Komponentenzahl des Ordnungsparameters) exakte Lösungen bestimmt. Im Detail wurden die Casimirkräfte eines kritischen Films zwischen planparallelen, den Film begrenzenden Oberflächen untersucht, von denen angenommen wurde, dass sie die Symmetrie gegenüber der Umkehr des Vorzeichens des Ordnungsparameters nicht brechen, die ansonsten aber generisch sind. Es stellte sich heraus, dass die Stärke und das Vorzeichen der kritischen Casimirkraft von Oberflächeneigenschaften abhängt. Die (von uns berechnete) Amplitude dieser Kraft zeigt bei vorgegebenen Oberflächeneigenschaften interessante Abhängigkeiten von der Filmdicke. Bei geeigneter Wahl von Oberflächen treten beim Anwachsen der Dicke Vorzeichenwechsel der Casimirkraft auf, so dass sie zunächst attraktiv, dann repulsiv und schließlich wieder attraktiv wird. Dies zeigt, dass kritische Casimirkräfte prinzipiell durch gezielte Modifikationen der Oberflächen und Systemeigenschaften steuerbar sein sollten. Im Falle von klassischen Flüssigkeiten, treten allerdings generisch symmetriebrechende lineare Oberflächenfelder auf. Untersucht wurde auch, wie sich anisotrope Skaleninvarianz, wie sie an multikritischen Punkten, wie den von uns als prototypische Beispiele betrachteten, Lifschitzpunkten auftritt, qualitativ und quantitativ auf thermodynamische Casimirkräfte auswirkt. Wir konnten zeigen, dass zwei grundsätzlich verschiedene Arten der Ausrichtung der Oberflächen relativ zu den Richtungen, entlang derer es eine Konkurrenz von ferro- und antiferromagnetischen Wechselwirkungen gibt, unterschieden werden müssen. Die zugehörigen Randbedingungen auf mesoskopischer Skala wurden ebenso wie die asymptotischen Randbedingungen im Grenzfall großer Längenskalen bestimmt. Es stellte sich heraus, dass die Zerfallsgesetze für die kritischen Casimirkräfte in einem Film für die beiden Typen von Oberflächenorientierungen verschieden sind. In den entsprechenden asymptotischen Potenzgesetzen treten unterschiedliche Exponenten auf. Die zugehörigen Amplituden enthalten nichtuniverselle Faktoren, die abgespalten werden können, um universelle Casimiramplituden zu definieren und zu bestimmen. Letztere hängen von groben Eigenschaften des Mediums (Films) und der berandenden Oberflächen ab. In einem weiteren wichtigen Teil der Untersuchungen wurde die Frage geklärt, ob die in der Literatur (von M. Henkel) für Systeme mit anisotroper Skaleninvarianz propagierte (zur sogenannten Schrödinger bzw. konformen Invarianz ähnlichen) größere Symmetrie Gültigkeit hat. Wir konnten nachweisen, dass dies im Falle von Lifschitzpunkten nur im Falle von freien oder effektiv freien Theorien zutrifft.
Publications
- Crossover from attractive to repulsive Casimir forces and vice versa. Phys. Rev. Lett., 101(10):100601, 2008
Felix M. Schmidt and H. W. Diehl
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Daniel Grüneberg
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- Dynamic critical behavior of model A in films: Zero-mode boundary conditions and expansion near four dimensions. Phys. Rev. B, 79(10):104301, Mar 2009
H. W. Diehl and H. Chamati
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- On conjectured local generalizations of anisotropic scale invariance and their implications. Nucl. Phys. B, 843 [FS]:255–301, 2010
S. Rutkevich, H. W. Diehl, and M. A. Shpot
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Alfred Hucht, Daniel Grüneberg, and Felix M. Schmidt