Die Transmission rationaler Wissenschaftstraditionen des Islam vom safawidischen Iran nach Südasien und ihre Institutionalisierung in der `Schule von Hayrabad`
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde zunächst in Rückgriff auf relevante wissenschaftstheoretische und historisch-vergleichende Arbeiten ein Analyseraster zur Untersuchung von Patronagebeziehungen zwischen Fürsten und Gelehrten entwickelt, das sich auch auf außereuropäische Kontexte der frühen Neuzeit anwenden lässt, ist zur Untersuchung von Patronagestrukturen in muslimischen Gesellschaften generell anwendbar und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur historisch-vergleichenden Patronageforschung. Die bisher in der Foschungsliteratur eher angenommene Transmissionslinie von der philosophisch-theologischen 'Schule von Isfahan' im Iran des frühen 17. Jahrhunderts nach Südasien, die in der 'Schule von Hayrabad' Im späten 18. und 19. Jahrhundert einen Höhepunkt erlebte, konnte Im Projektverlauf anhand der Untersuchung von Patronagestrukturen entsprechend dem erwähnten Raster genauer nachgezeichnet werden. Dabei stellte sich heraus, dass der Beginn dieser Transmission bereits bei den Vorläufern der 'Schule von Isfahan' im 14. Jahrhundert anzusetzen war: Der Nachweis konnte sowohl anhand zeitgenössischer Historiographien und diplomatischer Korrespondenz geführt werden, als auch anhand der in indischen Handschriftensammlungen aufgespürten frühen Manuskripte mit entsprechenden Vermerken. Schließlich erfuhren Personen, denen im Zusammenhang mit der Transmission des Gedankenguts der 'Schule von Isfahan' nach Indien in der bisherigen Forschungsliteratur ein prominenter Platz eingeräumt wurde, eine kritische Betrachtung. Es konnte in mehreren Fällen belegt werden, dass die bisherige Beurteilung dieser Personen nicht in jedem Fall der Überprüfung durch die verwendeten Materialien standhält. Zugleich wurden Werke dieser Personen in Handschriftensammlungen v.a. in Iran und dem indischen Subkontinent lokalisiert und so ein Potential für Folge untersuch ungen erschlossen. Ebenfalls kritisch überprüft wurde die bisher angenommene positive, da sozial und politisch integrative, Funktion der rationalen religiösen Wissenschaften im muslimischen Südasien des 18. und 19. Jahrhunderts anhand der Rolle, die maßgebliche Protagonisten der 'Schule von Hayrabad' während der letzten Dekaden des Mogulreiches Mitte des 19. Jahrhunderts spielten. Indem die ambivalente Verwendung dieser Art Wissenschaften aufgezeigt wurde, konnte das bisherige Bild etwas korrigiert werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Wider die Schmach. Eine historisch-anthropologische Untersuchung von 'Beleidigung' in einigen muslimischen Kontexten. In: Conermann, Stephan/Syrinx von Hees (Hrsg.). Islamwissenschaft als Kulturwissenschaft I: Historische Anthropologie. Ansätze und Möglichkeiten, Hamburg: EBV, 2007, 107-137
Hartung, Jan-Peter