Terribilità versus grazia. Die Rivalität von Michelangelo und Raffael, ihre Hintergründe und kunsttheoretisches Parameter
Final Report Abstract
Gegenstand des Forschungsprojektes ist die legendenumwobene Rivalität der päpstlichen Hofkünstler Michelangelo (1475-1564) und Raffael (1483-1520), ein geradezu mythisches Beispiel einer Künstlerkonkurrenz. Obwohl diese auch durch die denkbar unterschiedlichen Charaktere beider Künstler und durch manche äußeren Umstände angefacht wurde, gilt es zu zeigen, dass sie letztlich kunsttheoretisch fundiert war. Während Michelangelo als kühner, vom Geist der Antike beflügelter Neuerer erhabene, in einem genus grande vorgetragene, durch ihre maestà, grandezza und terribilità charakterisierte Werke hervorbrachte, profilierte sich Raffael dagegen als christlicher Protagonist eines genus medium bzw. modo mezzano (Vasari) und der Wirkungsfunktion der grazia. Die beiden Künstler wurden somit zu antagonistischen Verfechtern des Erhabenen bzw. des Schönen, wobei vor allem Raffael wiederholt in seinen Werken auf die des Kontrahenten Bezug nahm und sie sogar ironisch paraphrasierte und polemisch kommentierte. Solche interpikturalen Verfahren bezeugen das neue kognitive und operative Niveau der ihre stilistischen Wahlmöglichkeiten reflektierenden Kunst der Hochrenaissance. Die Rivalität der beiden päpstlichen Hofkünstler ist in jüngerer Zeit vor allem von der amerikanischen Forschung behandelt worden, die insbesondere die gegen Raffael gerichtete konspirative Zusammenarbeit zwischen Michelangelo und Sebastiano del Piombo gründlich aufgearbeitet hat. Nach Vorzeichnungen Michelangelos schuf Sebastiano Gemälde, die diejenigen Raffaels in den Schatten stellen sollten. Diese Forschungen bestätigen die Tragfähigkeit des gewählten Themas. Tatsächlich ist Raffaels mit seiner Begegnung mit Michelangelo in Florenz beginnende, zunehmend kritische Auseinandersetzung mit dem Älteren ein Leitfaden, der sich durch sein weiteres Werk zieht. Neben den bereits in meinem Antrag angeführten Beispielen bin ich auf zahlreiche weitere, diesbezüglich aussagekräftige Werke gestoßen.
Publications
- „The Battle of the Pictures". Rhetorik, Interpikturalität und der Agon der Künstler. In: Rhetorik. Ein internationales Jahrbuch (hrsg. v. Manfred Beetz, Joachim Dyck, Wolfgang Neuber, Gert Ueding), Bd. 24: Bild-Rhetorik (hrsg. v. Wolfgang Brassat), Tübingen 2005, S. 43-70
Wolfgang Brassat