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„Katholische Feministinnen“? Katholische Politikerinnen in der bundesrepublikanischen Demokratie der 1960er bis 1980er Jahre
Antragstellerin
Professorin Dr. Martina Steber
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 542588978
Katholische Politikerinnen prägten seit 1949 die Bonner Demokratie. Trotz ihrer Bedeutung und des spezifischen Politikertypus, den sie repräsentierten, hat die Forschung bisher kaum Notiz von ihnen genommen. Das ist umso verwunderlicher, als Demokratie, Geschlecht und Katholizismus eng miteinander verflochten waren. Das an der Universität Augsburg und am Institut für Zeitgeschichte München–Berlin angesiedelte Projekt nimmt dieses Beziehungsgeflecht zum Ausgangspunkt und untersucht am Beispiel der CDU-Politikerinnen Aenne Brauksiepe (1912-1997), Hanna- Renate Laurien (1928-2010) und Rita Süssmuth (1937) Entwürfe des Katholikin-Seins in der Politik. Es interessiert sich für die Selbstentwürfe und politischen Strategien politisch engagierter Frauen in Katholischer Kirche, Parteien und den politischen Öffentlichkeiten in der Bundesrepublik der 1960er bis 1980er Jahre. Es fokussiert zum einen auf das Selbstverständnis, die Selbstrepräsentation und die stete Arbeit an der politischen Biografie bei drei Politikerinnen dreier unterschiedlicher Generationen, die ihre Karriere zwischen Kirche und Parteipolitik gestalteten. Es fragt nach ihren politischen Positionierungen und Schwerpunktsetzungen in jenen drei Jahrzehnten der Bonner Republik, als zahlreiche Konflikte um die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Recht, in der Politik, in der Gesellschaft und in der Kirche hohe Mobilisierungskraft entfalteten. Zum anderen interessiert es sich für die Wahrnehmung der Politikerinnen in den Öffentlichkeiten der Bundesrepublik und damit für die Konstruktion und Verhandlung des Katholikin-Seins: in der Katholischen Kirche, in der Medienöffentlichkeit, in der weiblichen Öffentlichkeit von Frauenverbänden, -initiativen und -gemeinschaften. Brauksiepe, Laurien und Süssmuth repräsentierten den Typus der politisch aktiven Katholikin bzw. der katholischen Politikerin, der ihnen zugleich zugeschrieben wurde. Aber können sie als „katholische Feministinnen“ bezeichnet werden, wie retrospektiv zumindest Rita Süssmuth bezeichnet wurde? Das Projekt erforscht (1) die Semantiken, welche die politische Sprache prägten, die in weiblichen katholischen Öffentlichkeiten verwendet wurde, um das Katholikin- Sein im Raum des Politischen zu beschreiben; es untersucht (2) die Praktiken, die das politische Handeln prägten und einen spezifischen Habitus des Katholikin-Seins hervorbrachten; und es interessiert sich (3) für die Modi und kommunikativen Codes, mittels derer eine „emotionale Gemeinschaft“ (B. Rosenwein) weiblicher politischer Katholizität konstruiert wurde. Das Projekt wird von der These geleitet, dass sich in den Transformationsprozessen des bundesrepublikanischen Katholizismus der 1960er bis 1980er Jahre im Dreieck von katholischer Kirche, bundesrepublikanischer Demokratie und weiblicher Öffentlichkeit eine Form des Katholikin- Seins in der Politik entwickelte, die einen bedeutenden Beitrag zur Demokratisierung von Gesellschaft und Kirche leistete.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen