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Esoterik - Pietismus - Frühaufklärung: Halle um 1700
Antragstellerin
Professorin Dr. Monika Neugebauer-Wölk
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2004 bis 2011
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5470689
Ziel dieses Teilprojektes ist die geschichtswissenschaftliche Analyse und Darstellung der Formierung der halleschen Frühaufklärung unter esoterikgeschichtlichen Fragestellungen. Dem Standort entsprechend werden die beiden zentralen Schwerpunkte - Frühaufklärung und Esoterik - durch die Einbeziehung des Pietismus ergänzt und vermittelt. Diese Konstellation konkretisiert sich in der Formierung Halles als Fluchtpunkt der Heterodoxie ab 1690. Im Zentrum der Untersuchungen steht einerseits die komplexe Verbindung zwischen Esoterik und Frühaufklärung bei Christian Thomasius, eingeordnet in die gruppenspezifischen Kontexte der Juristischen Fakultät, andererseits die innovative Aneignung rosenkreuzerischer und alchemistischer Traditionen des 17. Jahrhunderts in den Einrichtungen des halleschen Waisenhauses. Dieses Thema einer dreipoligen Beziehungsgeschichte zwischen Esoterik, Frühaufklärung und Pietismus ist innovativ und an keine Forschungstradition anschließbar; die Beziehungen zwischen Pietismus und Frühaufklärung haben aber natürlich am Standort Halle selbst sowie seit 1990 zunehmend auch darüber hinaus Aufmerksamkeit gefunden. Für Halle als Stadt und als Universität ist die Spannung, aber auch das Verbindende von Aufklärung und Pietismus zu einem Signum des historischen Selbstverständnisses geworden. Diese Dualität von Pietismus und Aufklärung wird durch eine dritte Bezugsgröße ergänzt und zu hinterfragen versucht: In welcher Weise beeinflussen esoterische Strömungen aufgeklärtes Denk- und Sozialverhalten ebenso wie pietistische Mentalität? Liegt vielleicht sogar ein Schlüssel zum Verständnis dieser Berührungspunkte zwischen beiden Bewegungen im gemeinsamen Dritten, nämlich dem Bezug zu esoterischen Wissens- und Glaubenskonzeptionen? Es ist die Ausgangsthese, dass die vielzitierte Affinität zwischen Aufklärung und Pietismus durch die Einbeziehung der esoterikgeschichtlichen Dimension konkreter untersucht und genauer verstanden werden kann. Dabei realisiert sich der geschichtswissenschaftliche Zugang zu dem Thema in einem Ineinandergreifen gesellschaftsgeschichtlicher und geistesgeschichtlicher Methoden, beides hinterfragt durch ein Interesse an den macht- und herrschaftspolitischen Durchsetzungsstrategien der jeweiligen Konzepte.Neuzeitliche Esoterik ist in ihrem Ursprung in der Renaissance eine innovative Religiosität von Gelehrten, und Halle ist ein Gelehrtenmilieu. Aber mehr noch: Es ist die zu dieser Zeit einzigartige Repräsentanz einer spirituell orientierten religiösen Bewegung an einem Universitätsstandort, an dem die akademische Neugründung Professoren und Studenten versammelt, die in den Kontexten der Frühaufklärung engagiert und eingebunden sind. In Halle konstituiert sich somit um 1700 ein gesellschaftsgeschichtliches Beziehungsfeld, das in dieser Ausprägung am Beginn des Aufklärungszeitalters in Deutschland einzigartig ist. Die Untersuchung setzt ein mit einer prosopographisch verfahrenden Netzwerkanalyse der seit 1693 an die Universität berufenen Professoren, die deren Lebensläufe vor ihrer Ankunft in Halle mit einbezieht. Dabei lassen sich insbesondere zwei Schwerpunktbildungen ausmachen: Die Theologische Fakultät als Fluchtpunkt der Heterodoxie, die bald zur Heimat andernorts vertriebener Vertreter heterodoxer religiöser Auffassungen wie August Hermann Francke, Joachim Justus Breithaupt oder Johann Franz Budde wurde, und die Juristische Fakultät. Deren Professor primarius Samuel Stryk geriet bald in Gegensatz zu seinem Fakultätskollegen Thomasius, indem er als Prorektor in den Streit zwischen Francke und Thomasius eingriff, der sich an Thomasius´ Auseinandersetzung mit der älteren Magielehre und der damit verbundenen Abkehr vom Pietismus entzündete. Komplementär zur Universität wird der gezielte Aufbau der Franckeschen Stiftungen im Hinblick auf die Bemühungen Franckes um eine pietistische Weltmission untersucht. Im Zuge einer möglichen Verlängerungsphase des Projektes sollen die Konflikte zwischen Pietismus und Frühaufklärung bis zur Vertreibung Christian Wolffs aus Halle im Jahr 1724 verfolgt werden.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Teilprojekt zu
FOR 529:
Die Aufklärung im Bezugsfeld neuzeitlicher Esoterik