Detailseite
Projekt Druckansicht

Äquität und Gerechtigkeit in ökonomischen Entscheidungen - Experimentelle Studien zur Anspruchsanpassungstheorie in Deutschland und China

Antragstellerin Dr. Heike Hennig-Schmidt
Fachliche Zuordnung Wirtschaftstheorie
Förderung Förderung von 2003 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5409043
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Ausgangsfragen des Projektes ergaben sich einerseits aus der Problematik interkultureller Validität von ökonomischen Modellen, die nur dann allgemeine Gültigkeit beanspruchen können, wenn ihre Erklärungsvariablen kulturübergreifend Geltung besitzen. Dies wird implizit bei der Einbeziehung von Fairness- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten unterstellt. Wir gingen dieser Fragestellung in einer vergleichenden Untersuchung in Deutschland und China nach, da die Auffassungen über Fairness-/Gerechtigkeit in diesen beiden Ländern sehr stark divergieren. Ferner wurde überprüft, ob das Äquitätsprinzip sich als ein kulturübergreifend gültiges Verhaltensprinzip herausstellen könnte. Das Forschungsprojekt war weiterhin durch die Tatsache motiviert, dass in den bestehenden ökonomischen Theorien der Prozess der Entscheidungsfindung nicht offensichtlich ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Anspruchsniveaus gebildet werden, die durch das Äquitätsprinzip geprägt sind und im Laufe des Entscheidungsprozesses angepasst werden. Bestimmte Formen der Perspektivenübernahme könnten bei Anspruchsbildung und -anpassung eine Rolle spielen. Schließlich wurde ein Vergleich von Verhandlungscharakteristika chinesischer und deutscher Experimentsteilnehmer durchgeführt. Das Projekt basiert im Wesentlichen auf der Analyse von Verbaldaten aus ökonomischen Verhandlungsexperimenten. Zu allen im Projektantrag formulierten Zielsetzungen konnten wichtige Ergebnisse gewonnen werden. Insbesondere zeigte sich, dass durch systematische Inhaltsanalyse erzeugte Verbaldaten neue Erkenntnisse ermöglichen. Sie sind eine wichtige Datenquelle, die andere Erhebungsmethoden sinnvoll ergänzt. Unsere Analysen zeigen, dass Entscheidungsprozesse stark durch die Bildung und Anpassung von Anspruchsniveaus geprägt sind, die wiederum von Äquitätsnormen beeinflusst werden. Ein beträchtlicher Anteil der Teilnehmer diskutiert Fairness nicht. Für diejenigen, die Fairness erwähnen, sind Äquitätsnormen die wichtigsten Ankerpunkte für Fairness/Gerechtigkeitswahrnehmungen. Die Gleichaufteilung ist die vorherrschende Fairnessnorm in Einmalspielen, in denen die Spielerpositionen zufällig zugelost werden. Dies gilt überraschenderweise auch in asymmetrischen Situationen. Insofern unterstützen unsere Ergebnisse die aus der Literatur bekannten Resultate über soziale Präferenzen. Abweichend davon finden wir, dass äquitäre Fairnessnormen, die ungleiche Aufteilungen beinhalten, an Bedeutung gewinnen, wenn Machtpositionen salient gemacht werden. Die Aussagen zu Anspruchsniveaus und Äquitätsnormen gelten für China und Deutschland. Wie vermutet, scheint Fairness aber bei den chinesischen Teilnehmern eine geringere Bedeutung zuzukommen als bei den deutschen. Ein deutlicher Unterschied findet sich auch in der Bereitschaft, Anspruchsniveaus nach unten anzupassen. Deutsche verfolgen eine unmittelbare, zielorientierte, sachliche und zeiteffiziente Verhandlungsführung während für Chinesen der Verhandlungsgegner eine dem Verhandlungsgegenstand übergeordnete Position einnimmt. In unseren Analysen zur Perspektivenübernahme finden wir mentale Prozesse von unterschiedlich hoher Komplexität. Zum einen werden lediglich Erwartungen über Handlungen und Ziele von Gegenspielern gebildet. Zum anderen wird ein wesentlich komplizierteres Denkschema verwandt, indem sich Experimentsteilnehmer explizit in die Situation des Gegenspielers versetzen. In beiden Mechanismen wird auf einfachen und höheren Ebenen argumentiert. Diese Resultate eröffnen Verbindungen zu anderen Forschungsdisziplinen wie Psychologie und Neurowissenschaften. Eine Erweiterung des ursprünglichen Projektkonzeptes ergab sich dadurch, dass wir durch unsere experimentelle Arbeit vor Ort in die Förderung des Forschungsgebietes „experimentelle Wirtschaftsforschung“ in China involviert waren und in der experimentellen Ausbildung chinesischer Doktoranden sowie in der Wissensvermittlung an chinesische Wissenschaftler aktiv wurden. Über unsere Aktivitäten wurde sowohl in Deutschland wie in China in Radio, Fernsehen und Printmedien berichtet. Wir haben unsere Erfahrungen auch in Praktikerseminaren weitergegeben. Das kulturübergreifende Projekt hat wesentlich dazu beigetragen, unsere eigene kulturelle Befangenheit abzubauen und ein vertieftes Verständnis für die andere – chinesische – Kultur hervorzurufen. Dies wurde insbesondere durch die chinesischen Projektmitarbeiter bewirkt. Nur durch ihre Einbindung konnte das Projekt erfolgreich durchgeführt werden.

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung