Synchronisation der Aktivitätsrhythmik und der Schrittmacher-Neuronen von Drosophila melanogaster durch Licht und Temperatur
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt hatte zum Ziel die Mechanismen der Synchronisation der Inneren Uhr auf Licht- und Temperaturzyklen am Modellsystem Drosophila melanogaster aufzuklären. Licht wirkt bei allen Organismen als Hauptzeitgeber der Inneren Uhr. Ein populäres 2-Oszillator-Modell postuliert, dass die Morgen (M)- und Abend (A)-Aktivität von 2 Oszillatoren mit unterschiedlichen Eigenschaften gesteuert wird. Der M-Oszillator wird durch Licht beschleunigt, der A-Oszillator durch Licht verlangsamt, so dass die Aktivität auf diese Weise optimal an die Morgen- bzw. Abenddämmerung ankoppelt und die Siesta in langen Sommertagen größer wird. Wie Temperaturzyklen in das 2-Oszillator-Modell eingreifen war unklar. Bei der Taufliege konnten M- und A-Oszillatoren bestimmten Uhr-Neuronen, den ventralen Lateralen Neuronen (LNv) und dorsalen Lateralen (LNd) zugeordnet werden, weshalb die Fliege hervorragend geeignet schien, um die Mechanismen der Synchronisation durch Licht und Temperatur auf zellulärer Ebene aufzuklären, inklusive der beteiligten Fotorezeptoren. Wir fanden, dass Taufliegen unter Temperaturzyklen ein ähnliches bimodales Muster mit M- und A-Aktivität zeigen wie unter Licht-Dunkel-Zyklen, und dass unter mit reinen Temperaturzyklen simulierten langen Tagen, M- und A-Aktivität ähnlich auseinander wandern wie unter mit Licht-Dunkel-Zyklen simulierten langen Tagen. Weiterhin konnten wir die Einteilung in M- und A-Oszillatoren präzisieren. Wir fanden, dass sowohl LNv als auch LNd aus M- und A-Oszillatoren zusammengesetzt sind, und dass auch die bisher weniger gut charakterisierten Dorsalen Neurone (DN) M- und A-Oszillatoren enthalten. Außerdem zeigten wir, dass nicht wie bisher vermutet alle Uhrneuronen das Blaulichtpigment Cryptochrom (CRY) exprimieren, sondern nur etwa die Hälfte (sowohl M- als auch A-Oszillatoren). Die CRY-negativen Uhrneuronen werden präferentiell durch Temperaturzyklen, und die CRY-positiven Neuronen durch Licht-Dunkel-Zyklen synchronisiert. Erstaunlicherweise ist CRY aber trotzdem nicht das wichtigste Fotopigment, um die Morgen- und Abendaktivität der Fliegen an die Dämmerung zu koppeln. CRY-Nullmutanten können Morgen- und Abendoszillatoren bei Lichteinfall noch beschleunigen, bzw. verlangsamen. Augenlose Fliegen können dies nicht mehr, was eindeutig zeigt, dass Photorezeptoren in den Augen M- und A-Oszillatoren auf Licht-Dunkel Zyklen synchronisieren. Durch Erstellen einer Phasenresponzkurve auf Licht (systematische Verabreichung von Lichtpulsen im circadianen Zyklus) konnten wir zeigen, dass die Augen am frühen Morgen und späten Abend empfindlich auf Licht reagieren und die M-Oszillatoren beschleunigen („advance“) bzw. die A-Oszillatoren verlangsamen („delay“). Dies gilt auch für sehr geringe nächtliche Lichtintensitäten wie Mondlicht. In künstlichen Mondlichtnächten schieben die Fliegen ihre M-Aktivität in die späte und ihre A-Aktivität in die frühe Nacht (Blog dazu: http://scienceblogs.com/clock/2007/05/19/flirting-under-moonlight-on-a/). Dies funktioniert bei augenlosen Fliegen nicht mehr. Die Registrierung der Aktivität verschiedener Fotorezeptormutanten, denen einzelne Rhodopsine oder Photorezeptortypen im Komplexauge fehlen, in Mondlichtnächten sowie unter Licht-Dunkel-Zyklen mit simulierter Dämmerung zeigte, dass mehrere Rhodopsine an der wildtypischen Synchronisation der Fliege beteiligt sind. Wir fanden, dass vor allem Rhodopsin 6 und Rhodopsin 1 zur Mondlichtdetektion beitragen. Photorezeptorzelle 7 des Komplexauges scheint dagegen eine spezielle Rolle bei der Unterdrückung nächtlicher Aktivität zu spielen. Interessanterweise bestimmt auch im Auge exprimiertes CRY über die visuelle Transduktionskaskade die Empfindlichkeit des Auges mit (Pressemitteilung dazu: http://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/single/artikel/uhrwerk-im/). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Temperatur- und Licht-Dunkel Zyklen von unterschiedlichen Uhrneuronen im Gehirn der Fliege verarbeitet werden, und dass die Fliege multiple Fotorezeptoren benutzt, um sich optimal an den 24-Stunden Tag anzupassen. Diese Anpassung erscheint vor allem in Hinsicht auf die jahreszeitlich stark wechselnden Umweltbedingungen in nördlichen und südlichen Breiten kritisch fürs Überleben und bei allen Lebewesen ähnlich komplex. Mit unseren Ergebnissen haben wir die Basis für zukünftige, bereits angelaufene Untersuchungen gelegt, die zum Ziel haben die selektiven Vorteile einer solchen komplexen Anpassung für die biologische Fitness zu ergründen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2007) Moonlight shifts the endogenous clock of Drosophila melanogaster. Proc Natl Acad Sci USA 104 (9), 3538-3543
Bachleitner W, Kempinger L, Wülbeck C, Rieger D, Helfrich-Förster C
- (2007) The fruit fly Drosophila melanogaster favours dim light and times its activity peaks to early dawn and late dusk. J Biol Rhythms 22, 387-399
Rieger D, Fraunholz C, Popp J, Bichler D, Dittmann R, Helfrich-Förster C
- (2007) The Lateral and Dorsal Neurons of Drosophila melanogaster: New insights about their morphology and function. In: Clocks and Rhythms, Cold Spring Harbor Laboratory Press, 517-525
Helfrich-Förster C, Yoshii T, Wülbeck C, Grieshaber E, Rieger D, Bachleitner B, Cusamano P, Rouyer F
- (2008) Cryptochrome operates in the compound eyes and a subset of Drosophila’s clock neurons. J Comp Neurol 508, 952-966
Yoshii T, Todo T, Wülbeck C, Stanewsky R, Helfrich-Förster C
- (2009) Does the morning and evening oscillator model fit better for flies or mice? J Biol Rhythms 24, 259-270
Helfrich-Förster C
- (2009) Macht die innere Uhr “mondsüchtig”? BIOspektrum 5, 491-492
Förster C
- (2009) Period gene expression in four neurons is sufficient for rhythmic activity of Drosophila melanogaster under dim light conditions. J Biol Rhythms 24, 271-282
Rieger D, Wülbeck C, Rouyer F, Helfrich-Förster C
- (2009) Synergic entrainment of Drosophila’s circadian clock by light and temperature. J Biol Rhythms 24, 452-464
Yoshii T, Vanin S, Costa R, Helfrich-Förster C
- (2009) The nocturnal activity of fruit flies exposed to moonlight is partly caused by direct light-effects on the activity level that bypass the endogenous clock. Chronobiol Internat 26, 151-166
empinger L, Dittmann R, Rieger D, Helfrich-Förster C
- (2010) Das neuronale Netzwerk der Inneren Uhr. Neuroforum 1/10, 151-156
Helfrich-Förster C
- (2010) Drosophila’s Cryptochrome (CRY)- positive and negative clock neurons entrain differently to light and temperature. J Biol Rhythms 25, 387-398
Yoshii T. Hermann C, Helfrich-Förster C
- (2012) Phase-shifting the fruit fly clock without Cryptochrome. J Biol Rhythms 27, 117-125
Kistenpfennig C, Hirsh J, Yoshii T, Helfrich-Förster C
(Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0748730411434390) - (2012) Two clocks in the brain – an update of the Morning and Evening oscillator model in Drosophila. In: In Andries Kalsbeek, Martha Merrow, Till Roenneberg and Russell G. Foster, editors: Progress in Brain Research, Vol. 199, Neurobiology of Circadian Timing. Amsterdam, The Netherlands, pp. 59-82
Yoshii T, Rieger D, Helfrich-Förster C
- (2013) Fly cryptochrome and the visual system, Proc Natl Acad Sci USA 110(15), 6163-6168
Mazotta G, Rossi A, Leonardi E, Mason M, Bertolucci C, Caccin L, Spolaore B, Martin A.J.M., Schlichting M, Grebler R, Helfrich-Förster C, Mammi S, Costa R, and Tosatto S.C.E.