Bedeutung der Insulinsensitivität des ZNS in der Pathogenese und in der Prävention des Diabetes mellitus Typ 2
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im zentralen Nervensystem wurden Insulinrezeptoren nachgewiesen, die an der Regulation von Energiebilanz, Körpergewicht, Essverhalten und körperlicher Aktivität beteiligt sind. Insulinresistenz des zentralen Nervensystems kann also in vielfältiger Hinsicht zur Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2 beitragen. Das primäre Ziel des Teilprojekts war die Entwicklung einer Methode, um Insulinwirkung am Gehirn des Menschen nachzuweisen, messbar zu machen und Insulinresistenz des Gehirns als potentiellen pathogenetischen Faktor des Diabetes mellitus Typ 2 zu untersuchen. Zunächst zeigte sich, dass mittels Magnetenzephalographie Änderungen der Aktivität des zerebralen Kortex durch Insulin nachgewiesen werden können. Die gemessenen Insulineffekte waren bei übergewichtigen und adipösen Personen stark vermindert, als Zeichen der „Insulinresistenz“ des Gehirns bei adipösen Menschen. Weitere Experimente zeigten, dass die Insulinresistenz des Gehirns auch beim Vorliegen genetischer Variationen vorhanden ist, die als Risikofaktoren von Adipositas und/oder Diabetes mellitus Typ 2 identifiziert werden konnten. Diese Effekte scheinen unabhängig von der peripheren Insulinsensitivität zu sein. Daher ist Insulinresistenz des zentralen Nervensystems wahrscheinlich tatsächlich an der Pathogenese von Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 beteiligt. Zur Quantifizierung der Insulinsensitivität bzw. Insulinresistenz des Gehirns können unterschiedliche Parameter herangezogen werden, z.B. Änderungen der Beta-Aktivität und Änderungen der Theta-Aktivität während einer Insulin-Infusion. Diese beiden Parameter scheinen unterschiedlich reguliert zu sein. So konnte ein Zusammenhang zwischen insulininduzierten Änderungen der Beta-Aktivität und Alter, sowie genetischer Variation im FTO- und IRS1-Gen gezeigt werden, während die insulin-induzierte Theta-Aktivität hierdurch nicht beeinflusst wurde. Dahingegen war die insulin-induzierte Theta-Aktivität mit BMI, viszeralem Fett, Leberfett und zirkulierenden freien Fettsäuren im Plasma assoziiert, während die insulin-induzierte Beta-Aktivität keinen Zusammenhang mit diesen Parametern zeigte. Bei einigen Faktoren, die klassische Vermittler von Insulinresistenz an peripheren Geweben sind, konnte kein Zusammenhang mit Insulinwirkungen am zentralen Nervensystem nachgewiesen werden. Daher ist anzunehmen, dass Insulinresistenz im Gehirn zu einem großen Teil durch andere Faktoren bedingt ist als Insulinresistenz in peripheren Geweben. Beta- und Theta-Aktivität stehen wahrscheinlich für unterschiedliche physiologische Funktionen, die durch Insulin beeinflusst werden können. Innerhalb einer Person kann der Einfluss von Insulin auf diese beiden Parameter unterschiedlich stark sein, so dass auch innerhalb des Gehirns einzelne Bereiche/Funktionen eine verschieden starke Insulinresistenz aufweisen können. Die Folgen einer Insulinresistenz des Gehirns auf den Erfolg einer Lebensstilintervention haben wir schließlich in der Lebensstilinterventionsstudie TULIP untersucht. Eine Insulinresistenz des Gehirns führt dabei zu einer Non-Response auf Lebensstilintervention, während eine hohe Insulinsensitivität des Gehirns die Fähigkeit zur Gewichtsabnahme durch Lebensstilmodifikationen zu verbessern scheint. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie können regionale Aktivierungen im Gehirn gemessen und gleichzeitig applizierten Reizen zugeordnet werden. Die Präsentation von Essensbildern führt im Vergleich zu anderen Bildern zu spezifischen Aktivierungen z.B. im linken orbitofrontalen Kortex und in der Inselregion. Essensrelevante Aktivierungen wirkten sich hierbei auch auf Verhaltensparameter aus. Ähnlich wie bei den MEG-Studien konnten wir auch mit diesen fMRI-Experimenten bei übergewichtigen und adipösen Menschen einen reduzierten Effekt von intranasal appliziertem Insulin zeigen. Weitere Erkenntnisse über die von Insulin beeinflussten Funktionen im Gehirn und die Regulation des Insulineffektes auf diese Funktionen können helfen, neue Strategien für die diätetische und pharmakologische Prävention und Therapie von Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 zu finden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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The cerebrocortical response to hyperinsulinemia is reduced in overweight humans: A magnetoencephalographic study. Proc Natl Acad Sci USA 2006; 103(32):12103-12108
Tschritter O, Preissl H, Hennige AM et al.
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Tissue selectivity of insulin detemir action in vivo. Diabetologia 2006; 49(6):1274-1282
Hennige AM, Sartorius T, Tschritter O et al.
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Cerebrocortical Beta activity in overweight humans responds to insulin detemir. PLoS ONE 2007; 2(11):e1196
Tschritter O, Hennige AM, Preissl H et al.
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Variation in the FTO gene locus is associated with cerebrocortical insulin resistance in humans. Diabetologia 2007; 50(12):2602-2603
Tschritter O, Preissl H, Yokoyama Y, Machicao F, Haring HU, Fritsche A
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Insulin effects on beta and theta activity in the human brain are differentially affected by aging. Diabetologia 2009; 52(1):169-171
Tschritter O, Hennige AM, Preissl H et al.
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Insulin-mediated cortical activity in the slow frequency range is diminished in obese mice and promotes physical inactivity. Diabetologia 2009; 52(11):2416-2424
Hennige AM, Sartorius T, Lutz SZ et al.
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The Insulin Effect on Cerebrocortical Theta Activity Is Associated with Serum Concentrations of Saturated Nonesterified Fatty Acids. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2009; 94(11):4600-4607
Tschritter O, Preissl H, Hennige AM et al.
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Insulin Modulates Food-Related Activity in the Central Nervous System. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2010; 95(2):748-755
Guthoff M, Grichisch Y, Canova C et al.
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High cerebral insulin sensitivity is associated with loss of body fat during lifestyle intervention. Diabetologia 2012; 55(1):175-182. Epub 2011 Sep 17
Tschritter O, Preissl H, Hennige AM et al.