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Strategien von Reproduktion und Wachstum bei der Steinkoralle Seriatopora hystrix: populationsgenetische und demographische Analysen einer "unkonventionellen" Life History

Fachliche Zuordnung Ökologie und Biodiversität der Tiere und Ökosysteme, Organismische Interaktionen
Förderung Förderung von 2002 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5397116
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Korallen stellen eine sehr alte Organismengruppe dar, die ihren Ursprung am Beginn der Vielzelligkeit hat. Sie verfolgen eine erstaunliche Vielfalt von Reproduktions-, Wachstums- und Verbreitungsstrategien, die nicht selten innerhalb einer Art variieren. Sie sind daher vorzüglich geeignet, die Vor- und Nachteile dieser Strategien aus evolutionsbiologischer Sicht zu untersuchen. Dabei gilt es zunächst festzustellen, aus welchen Komponenten sich die im Freiland realisierte ‚Life History’ einer Art zusammensetzt. Ziel unserer Untersuchung war eine solche Skizze der Life History von Seriatopora hystrix (Pocilloporidae), einer Zwitterart, bei der die Befruchtung der Eizellen im Mutterpolypen erfolgt. Wir verwendeten einen populationsgenetischen Ansatz und hoch-variable genetische Marker (Mikrosatelliten), um insbesondere das Vorkommen von intra-kolonialer genetischer Variation, den Reproduktionsmodus (sexuell/asexuell) und die Verbreitung der Larven zu untersuchen. Beprobt wurden neun Bestände an zwei Riffen des Great Barrier Reefs. Ausgehend von den Eckpfeilern der typischen Tier-’Life History’ (unitare Organismen mit separater Keimbahn, obligat sexuelle Reproduktion mit getrennten Geschlechtern) bietet S. hystrix einige Überraschungen. Wir konnten erstmalig im Freiland zeigen, dass von der Wuchsform her unauffällige Kolonien genetisch heterogen sein können und dass sowohl somatische Mutationen als auch Fusionen unterschiedlicher Genotypen dazu beitragen. Der Anteil der Kolonien mit intrakolonialer genetischer Variation ist mit 20% beträchtlich. Korallen verfügen über eine ganze Palette asexueller Reproduktionsmodi, von denen einer bei S. hystrix im Labor dokumentiert wurde. In allen von uns untersuchten Populationen herrscht aber fast ausschließlich sexuelle Reproduktion vor. Dabei ermöglicht klonale Vermehrung im Prinzip eine doppelt so hohe Anzahl von Nachkommen. Die Frage, warum dennoch sexuelle Reproduktion fast universell etabliert ist, gehört zu den zentralen Themen der Evolutionsbiologie. Unsere Studie zeigt, dass S. hystrix einen bei Tieren seltenen Zwischenweg geht: ein erheblicher Anteil der juvenilen Kolonien ist durch Selbstbefruchtung entstanden. Diese Reproduktionsform wurde kürzlich (Sherman 2008) bei S. hystrix erstmals dokumentiert. Wir entwickelten eine neue statistische Methode, die es erlaubt, das Vorkommen von Selbstbefruchtung anhand genotypischer Daten auf der Ebene ganzer Populationen abzuschätzen. Selbstbefruchtung ermöglicht Reproduktion, wenn Paarungspartner fehlen. Angesichts der oft extrem kleinräumigen Verbreitung von Korallenspermien, spielt dieser Aspekt bei S. hystrix u.U. eine wichtige Rolle. Laboruntersuchungen legen nahe, dass sich Larven von ‚Broodern’ wie S. hystrix oft nahe dem Mutterpolyp ansiedeln. Wir finden in einer von zwei entsprechend untersuchten Populationen tatsächlich eine signifikante Häufung verwandter Kolonien über Distanzen bis zu 2 m. Gleichzeitig spielt jedoch auch der Austausch von Larven zwischen Populationen eine wichtige Rolle. Fünf Populationen zeigen eine deutliche Unterstruktur, die auf eine Besiedlung aus distinkten Quellpopulationen hindeutet. Auffällig ist dabei, dass Populationen, die nur 1-2 km auseinander liegen, Kolonisten aus unterschiedlichen Quellen erhalten haben müssen. Ob diese Unterschiede auf lokal unterschiedlichen Strömungsverhältnissen beruhen oder temporäre, stochastische Variation widerspiegeln, ist derzeit offen. Diese Befunde werfen wichtige Fragen für den Korallenschutz auf. Gibt es Standorte, die z.B. auf Grund ihrer Exposition häufiges lokales Aussterben bedingen und so ‚sink populations’ beherbergen. Gibt es umgekehrt besonders schutzwürdige Bestände, die konsistent Kolonisten für umliegende Standorte entsenden? Über welche räumlichen Distanzen finden diese Besiedlungsereignisse statt?

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2005) Isolation by distance in the scleractinian coral Seriatopora hystrix from the Red Sea. Mar Biol 147: 1109 – 1120
    Maier E, Tollrian R, Rinkevich B, Nürnberger, B
 
 

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