Phylogenese und Ontogenese von Alarmrufen bei Lemuren
Final Report Abstract
Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit bestand darin, Mechanismen zu identifizieren, die der vokalen Kommunikation und dem Sozialverhalten von mehreren Lemurenarten zugrunde liegen. Damit wurde die Basis für vergleichende Studien kommunikativer und kognitiver Prozesse bei nichtmenschlichen Primaten wesentlich erweitert. Anhand des Beispieles von Alarmrufen und damit assoziierten Fluchtstrategien wurde ein umfassender Einblick in die phylo- und ontogenetische Entwicklung von Alarmruf-Verhalten bei vier Arten der fünf Familien innerhalb der Lemuriformes gegeben. Im Rahmen der Untersuchung zur Phylogenese von Alarmrufen bei Lemuren wurde bei zwei nachtaktiven Arten mit unterschiedlichen Sozialsystemen, dem solitär lebenden Grauen Mausmaki und dem paarlebenden Rotschwanz Wieselmaki, das Alarmruf-System und entsprechende Fluchtstrategien experimentell durch visuelle und akustische Attrappenversuche untersucht. Es zeigte sich, dass nachtaktive Lemuren in erster Linie generelle Alarmrufe äußern, die dazu dienen, Raubfeinde und Konkurrenten zu verjagen. Solitär lebende Mausmakis assoziierten jedoch im Gegensatz zu paarlebenden Rotschwanz-Wieselmakis keine Fluchtstrategien mit Alarmrufen. Für die Evolution von Alarmrufen bedeutet dies, dass unspezifische Alarmrufe, die an Raubfeinde gerichtet sind, vermutlich die ursprünglichere Form von Alarmrufen darstellen. Mit der Entwicklung zum tagaktiven Leben haben sich spezifische Alarmrufe entwickelt, da Raubfeinde schon über weite Distanzen lokalisiert und frühzeitig angezeigt werden können. Da solitäre nachtaktive Lemuren im Gegensatz zu paarlebenden nachtaktiven Lemuren mit Alarmrufen keine Fluchtstrategien assoziieren, scheint soziale Komplexität einen Einfluss auf die Assoziation von Atarmrufen mit Fluchtstrategien und der Entwicklung von einem Frühwarnsystem, wie bei vielen tagaktiven gruppenlebenden Arten zu finden ist, gehabt zu haben. Die Ergebnisse dieser Studie bilden damit eine Grundlage, von der Vorhersagen über die Funktion von Alarmrufen bei anderen Arten abgeleitet werden können. Um diese Annahmen zu überprüfen, müsste in Folgeuntersuchungen der Einsatz und die Funktion von Alarmrufen bei tagaktiven solitären Primaten, wie z.B. Orang Utangs (Pongo spp.) und weiteren solitär bzw. paarlebenden nachtaktiven Primaten, wie z.B. Katzenmakis oder Fettschwanzmakis untersucht werden. Im Rahmen der Ontogenesestudie wurde die Entwicklung der Kategorisierungsfähigkeit von artspezifischen als auch heterospezifischen Alarmrufen bei Rotstirnmakis und Larvensifakas untersucht. Anhand von Playback- Experimenten mit diesen Alarmrufen konnte gezeigt werden, dass Rotstirnmakis und Larvensifakas in einem Alter von ungefähr sechs Monaten sowohl artspezifische als auch heterospezifische Alarmrufe für Luft- und Bodenfeinde korrekt kategorisieren und mit entsprechenden Fluchtstrategien assoziieren. Unter Einbeziehung verschiedener,life-history' Merkmale konnte zudem in einer vergleichenden Analyse gezeigt werden, dass ebenso bei anthropoiden Primaten die korrekte Kategorisierung von Alarmrufen erfolgt, wenn die Jungtiere physisch unabhängig von der Mutter sind. Um diese Befunde zu bestätigen, sollten weitere ontogenetische Studien zur Kategorisierungsfähigkeit bei Primaten mit entweder einer langen Individualentwicklungsphase, wie z.B. bei Schimpansen, oder einer kürzeren Individualentwicklungsphase, wie z.B. andere Lemuren, durchgeführt werden. Ebenso sollten weitere Studien prüfen, ob andere .life-history' Merkmale einen Einfluss auf die Entwicklung sozial gelernter kognitiver Fähigkeiten, wie z.B. der Transmission von kulturellen Verhaltensvarianten haben.
Publications
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Fichtel C, Kraus C, Ganswindt A, Heistermann M (2007) Influence of reproductive season and rank on fecal glucocorticoid levels in free-ranging male Verreaux's sifakas (Propithecus verreauxi). Hormones and Behavior 51: 640-648
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Fichtel C, Perry S, Gros-Louis J (2005) Alarm calls of white-faced capuchin monkeys: an acoustic analysis. Animal Behaviour 70:165-176
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Fichtel C, van Schalk CP (2006) Semantic differences in sifaka (Propithecus verreauxi) alarm calls: a reflection of genetic or cultural variants? Ethology 112:839-849