Project Details
Projekt Print View

Zivilgesellschaftliches Handeln und Governance in Viet Nam

Subject Area Political Science
Term from 2007 to 2010
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 53920617
 
Final Report Year 2010

Final Report Abstract

In diesem Projekt wurde erstmals empirisch für Viet Nam nachgewiesen, dass es zivilgesellschaftliches Handeln nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Staatsapparat gibt. Das zivilgesellschaftliche Handeln der Akteure im Staatsapparat (in Bezug auf Respekt, Empathie/Mitgefühl, Kompromissbereitschaft und Einhalten vereinbarter Regeln) ist dem der gesellschaftlichen Akteure sehr ähnlich, weist aber auch Unterschiede auf. So ist beispielsweise eine ungleich stärkere Konfliktfähigkeit der staatlichen Akteure erkennbar. Es wurde zudem nachgewiesen, dass zivilgesellschaftliches Handeln im Staatsapparat Governance verändert, wenngleich dies in unterschiedlichem Maße geschieht: Stärker im Bereich Wohlfahrt, etwas weniger stark im Bereich Sicherheit und gar nicht im Bereich legitime Herrschaft. Mittels einer standardisierten Befragung von 300 Repräsentanten von Civic Organizations haben wir zivilgesellschaftliches Handeln schließlich auch repräsentativ im sozialen Bereich für die beiden Großstädte Ho Chi Minh-Stadt und Ha Noi untersucht. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeigen, dass politische Veränderungen gleichsam parallel von „oben“ (also von Partei und Staat) und „unten“ (also auf Druck der gesellschaftlichen Basis) erfolgen und dass zivilgesellschaftliches Handeln im Staatsapparat dabei eine zentrale Rolle spielt. Die Handlungslogiken von zivilgesellschaftlichem Handeln, parteistaatlichem Handeln und gesellschaftlichem Handeln können also komplementär wirken, sie schließen sich nicht zwangsläufig aus, und sie müssen auch nicht als in fest gefügter Opposition zueinander stehen. Diese Forschungsergebnisse helfen, in der vietnambezogenen Forschung bestehende Annahmen über Zivilgesellschaft zu korrigieren. Nicht nur dort dominiert immer noch ein Verständnis, das von letztlich normativ begründeten unüberwindlichen Gegensätzen zwischen parteistaatlichem, gesellschaftlichem und zivilgesellschaftlichen Handeln ausgeht. Unsere Forschungsergebnisse belegen auch, dass autoritäre Regime zu moderaten Reformen imstande sind. Dies bedeutet, dass ein solches Regime dergestalt Stabilität und Legitimität gewinnen und sich den Ruf erwerben kann, zu schrittweisen Veränderungen fähig zu sein. Zivilgesellschaftliches Handeln im Staatsapparat (wie außerhalb des Apparats) kann damit auch zur Stabilisierung eines autoritären Regimes beitragen. Ob und inwiefern solches der Fall ist, wird ein regionenübergreifendes Nachfolgeprojekt untersuchen. Die größte „Überraschung“ im Projekt war, dass die weit verbreitete Governance- Definition von Mayntz im Kontext eines Nicht-OECD-Landes bzw. eines autoritären Regimes nicht anwendbar ist. Während das Governance-Konzept auch in derartige Länder „reisen“ kann, bedarf es einer ungleich stärker operationalen, offenen Definition von Governance, die von der Fixierung auf kooperative Formen befreit und offen für herrschaftskritische Ansätze ist. Die Definition von Hyden et al., die Governance ganz so wie unsere vietnamesischen Kooperationspartner als „the rules of the political game“ verstehen, genügt solchen Ansprüchen. Schuppert hat bereits vor Jahren zu bedenken gegeben, dass zivilgesellschaftliches Handeln eine bislang ungenügend beachtete und genutzte Ressource für Governance darstellt. Ihm zufolge sind Governance-Leistungen der Zivilgesellschaft für den modernen Staat sogar unverzichtbar. Für das Verhältnis zwischen sich gegenseitig stärkendem Staat und Zivilgesellschaft müsse ihm zufolge deshalb eine passende staats- und verwaltungsrechtliche Architektur gefunden werden. Vor einer Lösung dieser Aufgabe steht nicht nur Viet Nam.

Publications

  • Civil Society and Governance in Vietnam: Selected Findings from an Empirical Survey, in: Journal of Current Southeast Asian Affairs 2/2010: 3-40
    Jörg Wischermann
 
 

Additional Information

Textvergrößerung und Kontrastanpassung