Fügetechnische Grundlagenuntersuchungen für die Herstellung und den Einsatz von Bohrwerkzeugen mit eingelöteter Keramikschneide
Final Report Abstract
In diesem Forschungsvorhaben erfolgten in Zusammenarbeit mit dem Institut für Spanende Fertigung (ISF) der Universität Dortmund Grundlagenuntersuchungen zur Herstellung und zum Einsatzverhalten von Bohrwerkzeugen mit eingelöteter Schneidkeramik. Die Entwicklung von Werkzeugen, die aus einem Werkzeugschaft aus Hartmetall und eingelöteten Keramikschneiden bestehen, ermöglicht es, die Leistungsvorteile der Schneidkeramiken auch bei Bohroperationen im Durchmesserbereich unterhalb von 20 mm zu nutzen. Aufgrund der Eigenschaften der beteiligten Fügepartner stellt die Herstellung derartiger Bohrer jedoch hohe Anforderungen an die Werkzeuggestaltung. Durch die Kooperation ist es gelungen, die Basis für die erfolgreiche Anwendung eines Bohrwerkzeugkonzeptes aus einem Keramik-Hartmetall-Verbund zu schaffen. Der Verbund einer Keramik mit einem metallischen Fügepartner erfordert die Verwendung spezieller Lote, den sog. Aktivloten. Diese besitzen, abweichend von konventionellen Legierungen, eine Aktivmetalldotierung (Ti, Hf, Zr, etc.), welche bei Löttemperatur unter der Ausbildung von Reaktionsprodukten mit der Keramik die Benetzung des keramischen Substrates erst ermöglicht. Daher muss die Lotzusammensetzung auf die Fügepartner abgestimmt sein. Es wurden verschiedene kommerziell verfügbare Lote auf ihre Eignung zur Erzeugung des geforderten Verbundes aus Hartmetall und Siliziumnitridkeramik (Si 3N4) vor allem hinsichtlich erzielbarer Festigkeiten und Verbindungsqualitäten (Benetzung, Fügezonenaufbau und Spaltfüllungsvermögen) untersucht. Hierbei haben sich Lote auf Kupfer/Silber-Basis mit Titan als Aktivmetall als geeignet erwiesen. Parallel zu diesen Untersuchungen fand eine Anpassung der Fügezonengeometrie zur Reduzierung auftretender Verbundspannungen, gestützt durch FEM-Berechnungen des ISF, statt. Das Fügen der Komponenten (Si 3N4-Schneidplatte und Hartmetallschaft) wurde im Hochvakuum unter Verwendung eines widerstandsbeheizten Vollmetall- Kaltwandofen durchgeführt. Die notwendige Temperaturführung zur Erzielung einer hochwertigen Lötverbindung wurde in Anhängigkeit der verwendeten Lote und Besatzdichte abgestimmt. Um eine gute Positionierung der Keramikplatte beim Lötvorgang zu gewährleisten, wurde entsprechende Lötlehren entwickelt und angefertigt. Resultierend konnten fehlerfreie Rohteile erzeugt werden, die mittels mehrmaligem Schleifen in fertige Bohrwerkzeuge überführt werden konnten. Weiterführend wurden Maßnahmen untersucht, inwieweit eine Reduzierung des verbleibenden Spannungszustandes durch lokale Erwärmung (Flammen- und Induktionserwärmung) des gefügten Verbundes möglich ist. Beide betrachteten Verfahren führten zu Schädigungen an den Rohteilen (Fehlpositionierung der Keramikschneide bzw. Schädigung des Hartmetalls), so dass diese im Zuge des Projektes nicht weiter verfolgt wurden. Die Leistungsfähigkeit der entwickelten Keramik-Hartmetall-Bohrer konnte in experimentellen Untersuchungen zu deren Einsatzverhalten nachgewiesen werden. Bei der Trockenbearbeitung von steadithaltigem, lamellarem Grauguss wiesen die Werkzeuge mit der keramischen Schneide wesentliche Vorteile im Vergleich zu konventionellen Vollhartmetallbohrern auf. Neben einer deutlichen Reduktion der Hauptzeit durch die mögliche Schnittgeschwindigkeitserhöhung konnte bei dem hier verwendeten und vergleichsweise schwierig zu zerspanenden Material eine gute Bohrungsqualität erzielt werden. Zudem wiesen die Verbundwerkzeuge aufgrund der hohen Warmhärte des keramischen Schneidstoffes ein erheblich besseres Verschleißverhalten auf. Werkstoffseitig können zähigkeitssteigernde Maßnahmen in den Werkzeugkomponenten Keramik und Hartmetall, welche sich in einem kontinuierlichen Weiterentwicklungsprozess befinden, die Standzeit des Verbundes erhöhen, da eine derartige Eigenschaftsverbesserung diese spröden Werkstoffe weniger anfällig für Rissbildung und -ausbreitung macht. Eine weitere Möglichkeit zur Belastungsreduktion des Strukturverbundes stellt der Einsatz von Hartmetallen mit weiter an die Keramik angepassten Eigenschaften dar, wobei insbesondere das Wärmedehnungsverhalten im Fokus stehen sollte. Hinsichtlich der Verringerung der Herstellungskosten des Werkzeugs ist später auch möglichst angepasstes HSS als Schaftmaterial in Betracht zu ziehen. Die in diesem Projekt erarbeiteten gestaltungstechnischen Grundlagen können auch hier als Basis für die Werkzeugauslegung dienen. Das Anwendungsfeld des hier entwickelten Bohrwerkzeugkonzeptes ist hauptsächlich in der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung dünnwandiger Gussbauteile zu sehen. Insbesondere im Maschinen- sowie im massenfertigungsorientierten Automobil- und Motorenbau ist dieser Konstruktionswerkstoff sehr weit verbreitet und bietet damit hinsichtlich der Fertigung ein hohes Potenzial zur Senkung der Bearbeitungskosten. Mögliche Bearbeitungsoperationen sind beispielsweise durch das Einbringen von Durchgangs- oder Vorbohrungen für Gewinde in Getriebegehäusen. Durch eine Erweiterung des Spektrums an eingesetzten keramischen Schneidstoffen sollte es zukünftig möglich sein, neben Gusswerkstoffen auch weitere Materialien zu bearbeiten. Mit dem Einsatz von Aluminiumoxid können z. B. Potenziale hinsichtlich der Hart- und Trockenbearbeitung von schwer zerspanbaren Strukturwerkstoffen erschlossen und deren Bearbeitung dadurch wirtschaftlicher gestaltet werden. Die nachträgliche Erwärmung mittels Induktion, angedacht zur Spannungsreduktion, resultierte in einem vollständigen Wiederaufschmelzen der Fügezone. Ursächlich für die partielle Überhitzung des Verbundes war die apparativ unzureichende Temperaturerfassung in der 100 µm dünnen Fügezone. Die Messung muss jedoch dort erfolgen, da Keramik überhaupt nicht und Hartmetall nur gering an das angelegte Induktionsfeld ankoppelt. Dennoch ergibt sich aus diesen Versuchen die Option die induktive Erwärmung als Herstellungsverfahren zu nutzen, da eine geringe Substraterwärmung in einem verminderten Eigenspannungszustand des Verbundes resultiert. Aus apparativer und messtechnischer Sicht ist eine gezielte Anpassung der Anlage erforderlich (Schutzgasspülung, pyrometrische Temperaturerfassung).
Publications
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- Stoffschlüssig gefügte Hartmetall/Keramik-Verbunde in Hochleistungswerkzeugen. In: Verbundwerkstoffe – Tagungsband zum 14. DGM-Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde. Degischer, H. P. (Hrsg.), WILEY-VCH Verlag Weinheim, 2003, S. 667-672
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