Project Details
Der Feind ist überall. Stalinismus im Kaukasus
Applicant
Professor Dr. Jörg Baberowski
Subject Area
Modern and Contemporary History
Term
from 2002 to 2003
Project identifier
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5377615
"Der Feind ist überall" ist eine Geschichte, die den Ursprüngen des Stalinismus im sowjetischen Orient auf der Spur ist. Schauplatz dieser Geschichte ist das Territorium der muslimischen Kaukasusrepublik Azerbajdzan. Wenngleich Azerbajdzan zur Peripherie des Imperiums gehörte, liegt es doch nicht im Abseits. An diesem Ort zeigte sich die Sowjetunion en miniature, alle Lebensformen und Konflikte, die das Sowjetreich bereithielt, liefen hier auf kleinem Raum zusammen: Urbanisierung und Industrialisierung, Migration und Multiethnizität, Islam und Christentum, der Gegensatz zwischen sesshaften und nomadischen Lebensformen. "Der Feind ist überall" begreift Stalinismus als eine Zivilisation, die aus dem Versuch erwuchs, Ambivalenz in Eindeutigkeit zu verwandeln. Und weil dieser Versuch im Gewand eschatologischer Heilserwartungen und ideologischer Ausschließlichkeit auftrat, wurde, was als mission civilisatrice begann, zu einem Amoklauf, dem Millionen Menschen zum Opfer fielen. Am Beispiel Azerbajdzans zeigt sich die Sprachlosigeit der Machthaber, ihr Unvermögen, sich in einer fremden Kultur zu Gehör zu bringen und diese nach Maßgabe ihrer ideologischen Zurichtung zu verändern. Die exzessive Gewalt, die sich aus dem Versuch ergab, "rückständige" Verhältnisse zu überwinden, wurzelte freilich auch in den Lebensverhältnissen der Bevölkerung. Der Stalinismus schöpfte aus dem Gewaltstil jener Welt, die er überwinden wollte. Im Zentrum des Buches steht das Konzept der Begegnung. Es begreift den Kulturkonflikt und die Gewalt des Stalinismus aus der Konfrontation von Lebensweisen, die einander nicht verstanden. Die sowjetische Nationalitätenpolitik, die kulturelle Nationsbildung, die Kulturrevolution und die Kollektivierung der Landwirtschaft als Versuche der Überwindung von Renitenz und Ambivalenz, schließlich auch der Große Terror der dreißiger Jahre - das sind die Beispiele, an denen dieses Konzept erprobt wird.
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