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Sowjetsoldaten und Bevölkerung in der DDR. Eine Beziehungsgeschichte
Antragsteller
Professor Dr. Lutz Niethammer
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2002 bis 2007
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5367832
Im Frühjahr 1945 marschierte die Rote Armee in Deutschland ein. Die bedingungslose Kapitulation zwang die deutsche Bevölkerung dazu, es hinzunehmen, dass die "unzivilisierten" Fremden in das eigene Territorium eindrangen und sich für lange Zeit als Besatzer einrichteten. Die Sowjetrussen ihrerseits mussten ertragen, dass ihr Selbstbild als Träger einer überlegenen Kultur einem Lebensalltag im besiegten Deutschland konfrontiert sah, auf den sie in gar keiner Weise vorbereitet waren. Über vier Jahrzehnte lang lebten nun durchgängig etwa eine halbe Million sowjetischer Soldaten und Zivilpersonen auf dem Territorium der DDR. Obwohl ihre Garnisonen weitgehend autonome Gebilde darstellten, unterhielten sie zahlreiche Beziehungen zur deutschen Bevölkerung. Neben der gezielten Kultur- und Informationspolitik der Regierungen waren es vor allem diese privaten Kontakte im Alltag, die beider Verhältnis bestimmten. Ziel des Forschungsprojektes ist es, beide Begegnungsebenen, die regierungsoffizielle und die lebensalltägliche, nachzuzeichnen und miteinander in Beziehung zu setzen. Am Beispiel der Garnisonsstadt Weimar, der Stadt, die nicht nur für deutsche Klassik und nationalsozialistisches Grauen steht, sondern auch Teil eines zentral befehligten Gefüges von sowjetischen Truppenstandorten war, soll ein Interaktionsnetzwerk vielfältiger "Akteure" (nach)gesponnen werden. Anhand dieses "Gewebes" können besondere "Kristallisationsorte von Nahkontakten" (Alfred Lorenzer) ausgemacht und - anhand von sowjetischen und deutschen Archivbeständen bzw. anderer schriftlicher Quellen und Zeitzeugeninterviews - auf ihre "Geschichten" hin befragt werden. Darüber hinaus verspricht das Vorhaben, einen geschichtswissenschaftlichen Beitrag zu wesentlichen Fragen der Gegenwart zu leisten: zur kontrovers diskutierten Zunahme der Fremdenfeindlichkeit in den neuen Bundesländern, zur wissenschaftlich geführten Sowjetisierungsdebatte und schließlich auch zu anthropologischen Grundfragen der Kulturbegegnung und Territorialität.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen