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Rezeptionen liturgischer Musik französischer Herkunft im hochmittelalterlichen Zentraleuropa
Antragsteller
Professor Dr. Konstantin Voigt
Fachliche Zuordnung
Musikwissenschaften
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 531057846
Die breite Präsenz liturgischer Musik französischer Herkunft im hochmittelalterlichen Zentraleuropa ist ein bisher nicht systematisch erforschter Aspekt der Musikgeschichte vor 1300. Für das Verständnis von Mobilität und Transfer, für die Verortung der liturgischen Kultur Zentraleuropas und für das Verständnis späterer Prägungen ist dieser Gesichtspunkt allerdings hoch relevant. Seine Erschließung verspricht besseres Verständnis der Prozesse, aus denen das spezifische Profil zentraleuropäischer Musik des Spätmittelalters hervorging und wird helfen, Konzepte von Peripherie und Zentrum neu zu bewerten. Prag erscheint als ein Schlüsselort französisch-zentraleuropäischen Kulturtransfers, lange bevor sich die Netzwerke der Luxemburger im 14. Jahrhundert etablierten: Das 1235 für den Prager Dom erworbene Tropar des Dekan Veit überliefert französische Ordinariumstropen, die Prozessionare des Prager Georgsklosters enthalten Benedicamus aquitanischer und nordfranzösischer Herkunft. Auch in tropierten Lesungen, Sequenzen, Planctus und Offiziumsgesängen wurden jüngst Konkordanzen erkannt. Über Prag hinaus findet sich liturgische Musik französischer Herkunft auch in Olmütz (Sequenzen in einem unerforschten Missale) sowie an weiteren Orten mit enger Beziehungen zu Böhmen hatten, etwa im Klarissenkloster in Stary Sącz und in schlesischen Zisterzienserklöstern. Wie, warum und wann genau diese westlich des Rheins entstandenen Gesänge in Zentraleuropa eingeführt wurden, bedarf eingehender Untersuchungen. Erste Sondagen verweisen auf Akteure wie den Bischof von Olmütz, Robert (Amtszeit 1202 -1240), dessen politisch-intellektueller Einfluss verbunden mit seiner englischen Herkunft und französischen Sozialisation die Durchsetzung französischer Bestände erklären mag. Aber auch monastische Netzwerke, insbesondere der Zisterzienser, zeichnen sich als Transferwege ab, bedürfen aber einer genaueren Untersuchung, die sowohl musikphilologische Arbeit als auch interdisziplinären Diskurs mit Historikern, Literaturwissenschaftlern und Kunsthistorikern umfasst. Die Bestimmung des Umfangs, der Wege und der Folgen der Rezeption(en) französischer Musik in Zentraleuropa vor 1300 und die Einordnung dieser Befunde in ihre kulturgeschichtlichen Kontexte ist das Ziel des Projekts. Dazu werden Konkordanzen im gesamteuropäischen Überlieferungskontext ausgewertet und bisher unbearbeitete Handschriften erschlossen. Im Fokus stehen neben Prager Quellen vor allem Zisterzienser-Handschriften verschiedener Herkunftsorte. Da ein großer Teil der französischen Repertoires um 1100 neuen Idiomen liturgischer Einstimmigkeit mit Texten in Versform angehört („Neues Lied“, „Neue Sequenz“), stellt sich – jenseits der Konkordanzen – die Frage, welche Prägung diese Idiome auf die frühen Schicht böhmischer Cantiones ausübten. Die Ergebnisse werden in einer interdisziplinären Themenmonographie, einer Dissertation und Aufsätzen zugänglich gemacht.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Tschechische Republik
Kooperationspartnerin
Hana Vlhová-Wörner, Ph.D.