Biochemische Charakterisierung der Interaktion zwischen Reverser Transkriptase (P-Protein) und RNA-Verpackungssignal aviärer Hepatitis-B-Viren
Final Report Abstract
Hepatitis B Viren, einschließlich des humanpathogenen HBV, replizieren über reverse Transkription. Zur Replikationsinitiation nutzen sie einen ungewöhnlichen "Protein-priming" Mechanismus; dabei ersetzt ein Tyr-Rest der nur in hepadnaviralen Reversen Transkriptasen (P-Proteinen) vorkommenden Terminal-Protein (TP) Domäne das 3´ Ende eines Nukleinsäure-primers als Startpunkt der DNA-Synthese. Obligatorische Matrize dafür ist die ε Haarnadelstruktur auf der prägenomischen (pg) RNA, der RNA-Vorstufe neuer DNA-Genome. Die Bindung von P-Protein an ε vermittelt auch die Verpackung der pgRNA in Nukleokapside, in denen die reverse Transkription stattfindet. In Abwesenheit direkter Strukturdaten war das übergeordnete Ziel die biochemische Charakterisierung der P-ε Interaktion. Grundlegende Fragen waren u.a., welche Voraussetzungen Protein und RNA für die spezifische Bindung erfüllen müssen und wie im Komplex die Erkennung der exakten Initiationsstelle auf der ε RNA zustandekommt. Nicht zuletzt könnten die Ergebnisse dazu beitragen, neue Interventionsziele für die Therapie der chronischen Hepatitis B aufzudecken. Anfängliches Werkzeug war ein von anderen beschriebenes zellfreies System, in dem von einer modifizierten pgRNA in Retikulozytenlysat translatiertes P Protein des verwandten Enten-HBV (DHBV) die priming Reaktion nachvollzieht; HBV P-Protein zeigt hier keinerlei Aktivität. Nach Aufklärung der Sekundärstrukturen von HBV und DHBV ε (Dε) aus unterem und oberem Stamm, zentraler bulge-Region und apikalem loop konnten wir diesen Assay an die Verwendung kurzer, auch artifizieller Dε-RNAs und rekombinanten P-Proteins adaptieren. U.a. gelang so die Identifizierung von bulge und loop als Determinanten einer produktiven Interaktion mit P-Protein und der Nachweis substantieller Strukturänderungen in der RNA im priming-aktiven Komplex. In Kombination mit Transfektionsexperimenten zur Untersuchung der späteren Replikationsschritte resultierte daraus u.a. der Nachweis einer mit anderen Reversen Transkriptasen vergleichbaren Architektur der dNTP-Bindungstasche im DHBV P-Protein. Die präparative Herstellung von P-Proteinen in E. coli erwies sich wegen deren außergewöhnlicher Unlöslichkeit als äußerst schwierig, führte aber schließlich zu einem gänzlich rekombinanten Rekonstitutionssystem aus DHBV P-Protein, Dε RNA und zellulären Chaperonen. In anderem Rahmen konnten wir zeigen, dass Hsp70 und Hsp40 essentiell sind, um P-Protein in eine RNA-bindungsfähige Konformation zu überführen. Ein in vitro SELEX-Verfahren ermöglichte schließlich die simultane Analyse Tausender individueller RNAs auf P-Protein Bindungsfähigkeit. Hauptziele der letzten Förderperiode waren (i) die direkte Strukturaufklärung des DHBV P-Proteins, mit Fokus auf der per se ebenfalls unlöslichen TP Domäne; (ii) die Erweiterung des SELEX- Verfahrens auf replikationsfähiger Komplett-Virusgenome (statt P-Protein bindender in vitro Dε Transkripte); (iii) die Erstellung eines in vitro priming Assays für humanes HBV anhand der mit DHBV gewonnenen Erkenntnisse; zusätzlich wurden erstmals die in vivo Konsequenzen von Dε Mutationen untersucht. Mittels eines einfachen aber effektiven Selektionsverfahrens gelang durch terminale Verkürzungen bzw. Aminosäureaustausche in der C terminalen TP-Region die Isolierung diverser monodispers löslicher Varianten. Keine bildete jedoch Kristalle oder zeigte Anzeichen einer definierten 3D-Struktur in CD- und NMR Analysen (mit J. Basquin und M. Sattler, vormals EMBL); möglicherweise gehört TP zu den "intrinsically disordered" Proteinen. Zudem inhibierten die Austausche in TP im kompletten P-Protein dessen enzymatische Aktivität. Alternativ konnte aber ein Chaperonunabhängiges in vitro priming System enwickelt werden, das nur aus verkürztem, aber primingaktivem DHBV P-Protein und Dε RNA besteht und daher weitere Strukturanalysen deutlich vereinfachen sollte. Mit dem für DHBV etablierten Replikations-abhängigen SELEX Verfahren gelang kürzlich die Selektion varianter HBV ε RNAs, die erstmals das in vitro priming auch für HBV P-Protein erlauben. Die systembedingt langwierigen DHBV in vivo Experimente erweiterten die in vitro Daten um die physiologische Dimension und erbrachten neue Erkenntnisse für die P-Dε Interaktion, u.a. dass bulge und loop als zwei separate Erkennungssignale innerhalb der RNA-Gesamtstruktur fungieren; zusätzlich konnten kritische Parameter für künftige in vivo Evolutionsversuche definiert werden. Insgesamt wurde das ultimative Ziel der hochauflösenden Strukturaufklärung eines hepadnaviralen Replikationsinitiations-Komplexes noch nicht erreicht. Die aus dem Projekt hervorgegangenen Daten stellen jedoch die bislang beste Annäherung daran dar. Die methodischen Fortschritten sollten auch direkte Strukturanalysen in absehbarer Zeit ermöglichen. Die vielleicht weitreichendsten Implikationen hat die jetzt möglich gewordene Anwendung der mit dem DHBV-Modell gewonnenen Erfahrungen und Ergebnisse auf das humane Virus.
Publications
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