Ämter- und Policy-Motivation von Parteien bei der Bildung von Koalitionsregierungen
Final Report Abstract
Unter den neueren Koalitionstheorien dominieren formale Modelle, die von einem formellen oder informellen Auftrag zur Regierungsbildung an eine bestimmte Partei und einer festen Abfolge der Schritte bis zur Inauguration ausgehen. Diese Annahmen sind für die freien, von den Parteien selbst gesteuerten Koalitionsverhandlungen nicht realistisch. Die Regierungsbildung in den deutschen Bundesländern folgt diesem „freestyle bargaining“. In dem Projekt wurden zum einen die Voraussetzungen zur Einbeziehung der deutschen Bundesländer in die Datenbasis zum Test von Koalitionstheorien geschaffen (1) und zum anderen Theorien jenseits der Formateurmodelle weiterentwickelt, die ebenso wie diese Ämter- und Policymotivation verbinden (2). Ad (1) Welche Ziele verfolgen die deutschen Landtagsparteien für die jeweils nächste Legislaturperiode? Darüber geben ihre Wahlprogramme Auskunft. Die Wahlprogramme der etablierten Parteien, die auch im Bundestag vertreten sind, unterscheiden sich stark von denen der nicht-etablierten Parteien. Letztere konzentrieren ihre Aussagen auf wenige Politikfelder, während erstere das volle Spektrum abdecken. Unter letzterem Gesichtspunkt waren die Grünen von Anfang an mehr als eine „one-issue“ Partei. Wahlprogramme werden in strategischer Absicht geschrieben. Deshalb kann man nur beschränkt von der Länge des Texts, der einem Politikfeld gewidmet ist, auf die Stärke des Interesses der Partei an diesem Politikfeld schließen. Das gilt vor allem für das Finanzministerium, das nach unserer Befragung für alle Parteien oberste Priorität besitzt, ohne dass dies in Wahlprogrammen zum Ausdruck käme. Koalitionsverhandlungen werden arbeitsteilig nach Politikfeldern geführt. Deshalb haben wir die Policymotivation nicht mit ideologischen Skalen wie einer allgemeinen Links-Rechts-Skala erfasst, sondern getrennt nach Politikfeldern. Dazu gehört auf Landesebene unbedingt die Bildungspolitik, die mit allgemeinen gesellschaftspolitischen Einteilungen nach progressiv versus konservativ unzureichend erfasst wird. Ad (2) Wie unterscheiden sich die deutschen Parteien nach der Stärke ihrer Ämter- und Policymotivation auf Länderebene? Unser Ergebnis, das manche überrascht hat, ist, dass die SPD stärker ämtermotiviert ist als die CDU. Das kann auf bestimmte Landtagskonstellationen zurückgeführt werden, z.B. auf den Fall, dass die SPD eine Koalition mit der CDU nicht eingeht, obwohl die Policydistanz zu ihr geringer wäre als zum schließlich gewählten Koalitionspartner. Die sozial-liberale Koalition in Rheinland-Pfalz wäre das Paradebeispiel dafür. Andererseits ist gerade beim häufigsten Koalitionspartner der CDU, der FDP, ein der CDU näheres Wahlprogramm ein ausgezeichneter Indikator dafür, dass eine schwarz-gelbe Koalition ins Auge gefasst wird, was bei der FDP nicht immer der Fall war. Grundsätzlich ist die Vermeidung einer großen Koalition trotz oft großer Policynähe der beiden großen Parteien ein Zeichen für Ämtermotivation. Je weniger Abgeordnete der kleinere Partner hat, desto größer ist nach der Norm, dass die Ministeranteile sich nach dem Verhältnis der Abgeordnetenzahlen richten, der Ministeranteil des größeren Partners.
Publications
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