Genetische Wechselwirkungen in Mutations-Selektions-Modellen
Final Report Abstract
Was für Auswirkungen hat natürliche Selektion auf beobachtbare Muster in den DNA Sequenzdaten von Stichproben aus einer Population? Wie kann man von diesen Mustern ausgehend Rückschlüsse ziehen auf Adaptationsereignisse in der jüngeren evolutionären Geschichte von Populationen und Arten? Diese Fragen sind heute vor allem auf Grund neuer Möglichkeiten auf dem Gebiet der Sequenzierungstechnik aktueller denn je. Das wichtigste Resultat des Emmy Noether Projekts leistet einen Beitrag zum Verständnis dieser Muster und ihrer Interpretation. Bisherige Modelle zur Beschreibung dieser „selective footprints“ gingen von einer stark simplifizierten Vorstellung des Adaptationsprozesses aus. Insbesondere ist diesen Modellen die Annahme implizit, dass positive Selektion jeweils auf einzelne Neumutationen wirkt. In der Natur wirkt Selektion aber oft auf Allele, die bereits in der Population enthalten sind (standing genetic variation), oder die nicht nur einmal sondern wiederholt durch Mutation oder Migration in der Population auftauchen. Es zeigt sich, dass die von Selektion erzeugten Muster sich in diesen Fällen deutlich von den bisher beschriebenen unterscheiden. In einer Reihe von drei Publikationen wurde dieses Phänomen im Emmy Noether Forschungsprojekt als „soft selective sweep“ zuerst beschrieben. Auch die weiteren Forschungsthemen des Projekts behandeln Auswirkungen biologischer Komplexität auf Vorhersagen populationsgenetischer Modelle. Zum einen geht es um die Konsequenzen von Epistasie, also genetischen Wechselwirkungen. Zum anderen um die Einbeziehung ökologischer Aspekte in ein primär genetisches Modell (Adaptation bei sich langsam verändernder Umwelt). In jedem Fall zeigte sich, dass man auf die Einbeziehung biologisch realistischer Kompleität nicht verzichten kann: Viele Effekte (wie die Evolution von genetischer Architektur) können überhaupt nur erklärt werden wenn man Komplexität (hier Epistasie) zulässt. Andere Resultate (wie die Beschreibung des adaptiven Prozesses) werden durch die zusätzlichen Modellelemente stark verändert. Für zukünftige populationsgenetische Modellierung hat dies wichtige Konsequenzen. Es wird für wichtige Fragen nicht genügen, sich auf eine einzige Ebene biologischer Organisation zu konzentrieren (etwa molekular oder phänotypisch oder organismisch-ökologisch). Stattdessen werden Modelle wichtiger, die gezielt die wesentlichen Elemente verschiedener Ebenen kombinieren können. Für einige Fragestellungen vor allem zum adaptiven Prozess und den Resultierenden molekularen Mustern zeigen die Resultate des vorliegenden Projekts exemplarisch, wie so eine Verbindung aussehen kann.
Publications
- (2006). Soft sweeps III - The signature of positive selection from recurrent mutation. PLoS Genetics 2: e186
Pennings P.S. and Hermisson J.
- (2007). Adaptation of a quantitative trait to a moving optimum. Genetics 176: 715-719
Kopp M. and Hermisson J.
- Models of Adaptation and Speciation. PhD thesis, LMU Munich, 2007
Pennings, P.S.
- (2008). An analytically tractable model for competitive speciation. American Naturalist 171: E44-E71
Pennings P.S., Kopp M., Meszena G., Dieckmann U., and Hermisson J.
- (2008). Competitive speciation and costs of choosiness. Journal of Evolutionary Biology 21: 1005-1023
Kopp M. and Hermisson J.
- (2009). Effects of epistasis and the evolution of genetic architecture: exact results for a 2-locus model. Theoretical Population Biology 75: 109-122
Alvarez-Castro J.-M., Kopp M. and Hermisson J.