Die Anfänge der Besiedlung der deutschen Marsch. Die spätbronzezeitliche Siedlung bei Rodenkirchen - Hahnenknooper Mühle, Ldkr. Wesermarsch
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven, hat mit Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft von 1996 bis 2001 bei Rodenkirchen an der unteren Weser einen Ausschnitt der Siedlung Hahnenknooper Mühle untersucht. Von der Siedlung sind die Spuren mehrerer Häuser bekannt. Ob sie zu einem mehrfach erneuerten Einzelhof oder zu einer Gruppe gleichzeitiger Höfe gehört haben, ist offen. Ein dreischiffiges Wohnstallhaus konnte vollständig freigelegt werden. Das Haus ist nach Aussage von 14C-Datierungen in der jüngeren Bronzezeit in der Phase eines wieder zunehmenden Meeresspiegelanstiegs zwischen etwa 1000 und 800 v. Chr. errichtet worden. Die bei der Ausgrabung gefundenen Tongefäßreste deuten darauf hin, daß das Haus erst spät in diesem Zeitraum erbaut worden ist und die Siedlung an dieser Stelle vielleicht noch bis nach 800 v. Chr. gedauert hat. Damit ist die Siedlung Hahnenknooper Mühle bislang die älteste, die aus der deutschen Marsch bekannt ist. Die Siedlung lag knapp 30 km von der anzunehmenden damaligen Küstenlinie und wenige Kilometer von der Weser entfernt zu ebener Erde hinter dem Uferwall des Flusses oder eines Nebenarms von ihm. Hier war sie auch ohne den Schutz durch Deiche oder Wurten, die es zu der Zeit noch nicht gab, von Sturmfluten nicht mehr direkt bedroht. Das Siedlungsgebiet war aber immer wieder stark vernäßt. Es befand sich im Süßwasserbereich, hatte jedoch auch einzelne Brackwasserstandorte, wie die im feuchten Boden der Marsch sehr gut erhaltenen Reste der natürlichen Vegetation zeigten. Das freigelegte Wohnstallhaus war W-O ausgerichtet. Es ist überwiegend aus Erlenstämmen aus dem Auenwald entlang der Weser errichtet worden. Das Haus wurde im Laufe seiner Nutzung zweimal verändert. Der ursprünglich kapp 21 m lange Bau wurde zunächst im Stallbereich um 6 m verlängert, spater aber auf weniger als seine ursprüngliche Länge wieder verkürzt. Das Haus besaß ein tief heruntergezogenes, an den Enden abgewähltes Satteldach aus Schilf. Der Wohnbereich war durch eine Sodenpackung vor Nässe geschützt, während das Vieh zu ebener Erde stand. Im Stall fanden maximal 19 Stück Großvieh in Einzelboxen entlang der beiden Längswände des Hauses Platz. Das Wohnstallhaus war in engem Abstand von einem im Süden offenen Zaun umgeben, der häufig erneuert worden ist. Nach Norden schlössen sich Baureste vermutlich von einem oder mehreren Speichern an. Sie haben zu dem freigelegten oder einem weiteren Haus gehört. Nach Aufgabe des Wohnstallhauses wurden auf und neben seinen Resten niedrige Podeste aus Klei aufgetragen und mehrfach erhöht. Sie wiesen Feuerstellen und starke Holzkohleschichten, aber keine Bauten auf. Ihre Funktion ist unbekannt. Die Siedlung wurde spätestens dann endgültig verlassen, als das Gebiet im Zuge des wieder ansteigenden Meeresspiegels zu stark vernäßte und die Wirtschaftsflächen zu klein wurden. Die wirtschaftliche Grundlage der Siedlung war das Halten von Vieh, besonders von Kühen und zu einem kleinen Anteil von Schaf/Ziege. Der Fischfang dürfte eine gewisse Bedeutung gehabt haben, die Jagd dagegen keine. Ferner wurde in kleinerem Ausmaß Ackerbau betrieben. Angebaut wurde neben anderen Getreidearten vor allem Spelzgerste. Erstmals konnte für Nordwestdeutschland auch der Anbau von Pferdebohne und Leindotter nachgewiesen werden. In der Siedlung hat ein Bronzeschmied gearbeitet, wie Reste von Gußtiegeln und in Niedersachsen sonst äußerst seltenen Gußformen aus Ton gezeigt haben. Offen ist, ob er in der Siedlung gelebt hat oder hier nur zeitweise anwesend war. Von besonderem Interesse sind ferner Funde von Miniaturgefaßen und der Rest einer kleinen Figur, vermutlich eines Tieres, die wohl als Kinderspielzeug anzusprechen sind. Die Anteilnahme der Öffentlichkeit an der Ausgrabung hat zur Gründung eines Vereins geführt, der das bronzezeitliche Wohnstallhaus in geringer Entfernung vom ursprünglichen Platz 2005 in originaler Größe nachgebaut hat.