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Puschkin und das Problem der russischen Kultur

Subject Area European and American Literary and Cultural Studies
Term from 1994 to 2003
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5184228
 
Die Monographie geht von der These aus, dass die Frage der nationalen Identität in Russland nicht erst offen in den Debatten des späten und verdeckt nicht nur in den Implikationen der Sprachdebatte des beginnenden 19. Jahrhunderts greifbar ist. Gerade Puschkin ist es, der früh den kulturologischen Subtext der Balladen- (vgl. die Reflexe in Ruslan i Ljudmila) und der "narodnost"-Debatte erkennt. Die Geschichte und die Kultur Russlands werden zu einem seiner zentralen Themen. Die vom Dichter entwickelten Sujets zeigen die Polyglossie kultureller Sprachen in Russland in fehllaufenden Kommunikationsakten (Evgenij Onegin; Graf Nulin u. a.) oder modellieren die russische Geschichte in antithetischen Konstruktionen, die die nationale Spezifik und die Ambivalenz des petrinischen Reformwerkes zeigen (Godunov, Poltava, Mednyj vsadnik). Die Literatur - in Russland nicht erst seit der 'narodnost'-Debatte das Paradigma der kulturellen Identität schlechthin und als russische Literatur daher allenthalben als 'nonexistent' beklagt - kann innerfiktional in 'literarischen' Projektionen des eigenen oder fremden Ichs mit dem Problem der persönlichen auch das der kulturellen Identität aufschließen (Povesti Belkina u.a.). Sie kann daneben aber auch in metaliterarischen Aspekten der Werke erscheinen, wenn die Adaption einer Dramenpoetik mit der Spezifik russischer Geschichte korreliert (Godunov) oder die Lesererwartungen im Perzeptionsverlauf des sukzessive publizierten Textes mitgeplant und am Ende korrigiert werden (Onegin). Die Reflexion der Entwicklungen des Literaturbetriebs in den 1830er Jahren muss zuletzt auch in eine negative Wendung münden in den Kontrafakturen, die Puschkin zu den aus seiner Sicht trivialen neuen Massengenres (Schelmenroman; historischer Roman) plant (Russkij Pelam) oder realisiert (Kapitanskaja docka). Die Hoffnungen auf eine nationale russische Literatur, in die sich Puschkin stets einschreiben wollte, haben sich gleichzeitig mit der Einsicht zerschlagen, dass der älteste Teil des Adels, den Puschkin als Träger einer große Kultursynthese dachte, seine gesellschaftliche Rolle verloren hat.
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